— 46 —
wertes Beginnen, „aus der Geschichte der Ideen diejenigen herauszugreifen,
die als Grundlagen der konstitutionellen Idee anzusehen sind“. Was ist
nun überhaupt die „konstitutionelle Theorie“? Der Begriff bedarf der Be-
stimmung, denn als technischen Begriff kennt ihn die Geschichte der Staats-
lehre zunächst in der Bedeutung der naturrechtlichen Lehre von der Be-
schränkung der Herrschergewalt durch die leges fundamentales.. Darum
kann es sich hier doch offenbar nicht handeln. Verf. scheint unter konsti-
tutioneller Theorie die Gesamtheit aller derjenigen politischen Ideen zu
verstehen 5, die eine Beteiligung des Volkes an der Bildung des Staats-
willens erstrebten, also negativ etwa das Gegenteil von dem, was in der
offiziellen Theorie des deutschen Bundes das monarchische Prinzip be-
deutete, positiv ungefähr die Staatstheorie des vormärzlichen deutschen
Liberalismus. Dafür spricht auch, daß er seine Darstellung mit der Schil-
derung der Ideen von Kant, FICHTE und Frıss schließen läßt, also offen-
bar davon ausgeht, daß nach dieser Zeit die konstitutionelle Theorie vor-
handen war, bis dahin also nur ihre Grundlagen reichen. Wenn wir nun
aber einmal unterstellen, daß der Begriff der konstitutionellen Theorie
tatsächlich der soeben angedeutete ist, so würde sich daraus ergeben, daß
die konstitutionelle Theorie ganz ebenso wie das monarchische Prinzip nur
eine zusammenfassende staatstheoretische Formel für ganz verschiedene
politische Ideen ist. Die vom Verf. gegebenen Ausschnitte aus der Ge-
schichte der politischen Ideen sprechen für die Richtigkeit dieses Ergeb-
nisses.
Unter der Ueberschrift „Die Quellen der konstitutionellen Theorie*
schildert Verf. zunächst die geschichtliche Entwicklung der Ideen, die
später Teile derjenigen politischen Prinzipien wurden, die unter der Formel
der konstitutionellen Theorie zusammengefaßt wurden. Dabei läßt leider
seine Einteilung — I. Die Lehre von der Volkssouveränität, II. Die natur-
rechtliche Lehre, III. Die Vereinigung von Volkssouveränitätslehre und
Naturrecht — gerade die politischen Ideen nicht klar hervortreten. Volks-
souveränitäts- und naturrechtliche Lehre sind so gänzlich inkommensurable
Dinge, daß man sie gar nicht nebeneinanderstellen kann. Erstere
ist eine schon im Mittelalter, wie Verf. richtig hervorhebt, wirkende poli-
5 Es ist typisch für die Arbeitsweise des Verf., daß er, ebensowenig
wie über die für seine Darstellung maßgebenden Gesichtspunkte, über die
Umgrenzung des Themas selbst sich klar zu werden ein Bedürfnis empfand.
Wenn er als konstitutionelle Theorie diejenige Auffassung bezeichnet, „die
auf individualistischer Grundlage beruhend sich im übrigen durch das
politische Schlagwort „alles für das Volk und alles durch das Volk“ am
umfassendsten kennzeichnen läßt“, so ist das zwar umfassend, aber nicht
kennzeichnend. Es paßt rechtlich und politisch-wissenschaftlich auf keine
monarchische Staatsordnung,