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wissenschaftliche und rechtliche Seite der Frage einfach beiseite schieben-
den Verurteilung, die ein so hervorragender Kenner des Prostitutions-
wesens wie BLASCHKO den Ausführungen HAıLpys hat widerfahren lassen
(Frankfurter Zeitung, Lit.-Bl. v. 19.7. 14). Es handelt sich bier um Dinge,
die mit einer allgemeinen ethisch-soziologischen Theorie, wie der des
Abolitionismus, nicht a priori erledigt werden können, sondern die fach-
wissenschaftlich geprüft werden wollen. Wenn BLASCHKO die gesetzliche
Festlegung polizeilicher Kompetenzen, wie HALDY sie vorschlägt, mit „un-
kontrollierbarer Allmacht der Polizei®, Stellung der Polizei „jenseits von
Gesetz und Recht“ identifiziert und deshalb mit ihr den „Polizeistaat“ auf-
rechterhalten glaubt, so beweist das eine so vollständige Fremdheit gegen-
über den Grundzügen der allgemeinen Staatslehre und des modernen Staats-
und Verwaltungsrechts (Grundsatz der gesetzmäßigen Verwaltung, Grenzen
der Polizeigewalt, Rechtsschutz durch Verwaltungs- und ordentliche Ge-
richte usw.), daß es im höchsten Grade bedauerlich ist, wenn derartige,
sachlichen Gehaltes bare aber des populären Effekts sichere, Schlagworte
mit der Autorität eines wissenschaftlichen Namens in die öffentliche Dis-
kussion geworfen werden gegen eine staatswissenschaftlich und juristisch
ernste Arbeit. In solcher Bearbeitung der öffentlichen Meinung über eine
so wichtige Frage des nationalen Staats- und Rechtslebens liegt aber
geradezu eine Gefahr für dieses: da praktisch — besonders nach den in-
zwischen in Belgien gesammelten Erfahrungen — gar nicht daran zu denken
ist, daß Regierung und Polizei die bisherige Ueberwachung der Prostitution
aufgeben, so ist, wenn infolge einer Gewinnung der öffentlichen Meinung
für jene Ansichten der Regierung die Durchsetzung einer gesetzlichen
Aenderung des geltenden Strafrechts unmöglich wird, der jetzige Zustand
der Rechtsunsicherheit zu nicht absehbarem Weiterdauern verdammt.
Wolzendorff.
Bendix, Ludwig, Das Problem der Rechtssicherheit. Zur
Einführung des Relativismus in die Rechtsanwendungslehre (Schriften
des Vereins Recht und Wirtschaft Bd. III Heft 5). Berlin, Carl Hey-
mann 1914, 46 S., Mk. 1.40.
Soziologisch interessant ist diese Abhandlung des Berliner Anwalts:
Verf. beginnt mit einer Kritik an den methodischen Grundauffassungen
unserer gesamten Rechtslehre und holt zu konstruktiven Erörterungen ganz
neuer wissenschaftlicher Grundgedanken aus, un dann auf der 25. Seite
diese abzubrechen und als Ergebnis dieser Neugestaltung der Rechtswissen-
schaft die bekannten Gravamina der Anwälte gegen unsere Rechtspflege
und ihre Organisation vorzutragen. Die allgemeinen Betrachtungen ent-
halten, trotz der Häufung von Paradoxen (wie: die Unparteilichkeit ist auch
nur ein einseitiger Standpunkt), im einzelnen viele kluge und manche an-
regende Gedanken, ihr Gesamtergebnis jedoch, daß die Rechtssicherheit