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Verband, der sich mit dem territorialen Staatsverbande nicht ganz
deckt. Die beiden Verbände bilden exzentrische Kreise. Der
nationale Verband nimmt keine Rücksicht auf das Territorium ;
man kann deshalb sagen, zum Begriffe der Nation an sich gehöre
ein Territorium nicht. Nach heutiger völkerrechtlieher Anschauung
kommt aber als Nation nur derjenige Verband in Betracht, dessen
Verbandsgewalt Staatsgewalt ist, d. h. auf einem festbegrenzten
Gebiete herrscht. Die Angehörigkeit zur Nation beruht auf dem
Willen der Staatsgewalt, die betreffenden Menschen als Mitglieder
des Verbandes haben zu wollen. Indem das Völkerrecht diesen
Willen anerkennt, entsteht für die Staatsgewalt ein (völkerrecht-
liches) Recht, die betreffenden Menschen als Mitglieder zu be-
handeln !°; für diese Menschen entsteht ein (völkerrechtliches)
Recht auf Anerkennung der Mitgliedschaft, Staatsbürgerrecht '"!.
Die sich ergebenden Konflikte zu lösen, ist Aufgabe des Völker-
rechts. Eine Einbürgerung sollte nicht gegen den Willen des
bisherigen nationalen Verbandes !? und des Einzubürgernden ge-
schehen "®,. Anderseits sollte zur Vermeidung von Heimatlosig-
10 Diesem Rechte entspricht die völkerrechtliche Gehorsamspflicht, ins-
besondere auch die Pflicht, militärischen Aufforderungen zu gehorchen.
ıı Das Staatsbürgerrecht ist also ein Recht (bzw. Status) nach Völker-
recht nicht nach Staatsrecht. Dagegen sind die Rechte und Pflichten,
welche an das Staatsbürgerrecht geknüpft werden, staatsrechtlicher Natur.
Als Angehörige eines Staates kommen nicht nur natürliche, sondern auch
juristische Personen in Betracht.
ı2 Die Einwilligung des bisberigen nationalen Verbandes liegt in der
Regel von vornherein vor, durch Aufstellung des Rechtssatzes, daß jeder
auf seine Angehörigkeit verzichten könne, sofern er ein neues Staatsbürger-
recht erwirbt und eine Verletzung militärischer Pflichten nicht begeht.
Verschiedene Völkerrechtslehrer (FIORE u. a.) nehmen sogar ein völker-
rechtliches Individualrecht an, auf die angestammte Staatsangehörigkeit zu
verzichten.
ı3 Bine eigentliche Zwangseinbürgerung ist also völkerrechtlich unzu-
lässig. Es kann zwar der Wohnsitzstaat dem Ausländer alle Rechte ge-
währen, die er seinen eigenen Bürgern gewährt, also auch die politischen
Rechte, dagegen darf er sie nicht zu Militärlasten heranziehen. Wo ein