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Staatenbund stützt sich auf ein Verfassungsgesetz, nicht auf einen
Vertrag. Die Verfassung kommt zustande dadurch, daß sich
jeder dem Bunde beitretende Staat dem durchberatenen und im
gegenseitigen Einverständnisse aufgestellten Verfassungsentwurfe
unterzieht. Die Unterwerfungserklärung ist eine völkerrechtliche.
Sie ist einseitiger Natur, wenn auch mit dem ausdrücklichen oder
stillschweigenden Vorbehalte abgegeben, daß auch die übrigen
in dem Verfassungsentwurfe als beitretend vorgesehenen Staaten
beitreten. Die Unterwerfungserklärungen werden entgegenge-
nommen von dem provisorischen Zentralorgane. Sind sämtliche
vorgesehenen Erklärungen erfolgt, so wird der Verfassungsent-
wurf zum Verfassungsgesetze und der Staatenbund ist damit per-
fekt !°. Ein Vertrag zwischen den Staaten spielt also bei der
Gründung des Staatenbundes keine Rolle. Unter Bund ist die
Zusammenfassung durch eine übergeordnete Rechtsnorm und eine
höhere Gewalt, nicht eine bloße Bindung untereinander zu ver-
stehen. Das Verhältnis der Einzelstaaten unter sich wird be-
herrscht nicht durch einen Vertrag, auch nicht durch das Völker-
recht, sondern ausschließlich durch die Bundesverfassung und die
Bundesgesetzgebung. Zwischen den Einzelstaaten sind völker-
18 Der Gründung gehen allerdings Verhandlungen zwischen den Staaten
voraus, die zur Aufstellung eines bereinigten Verfassungsentwurfes führen.
Es kann auch ein völkerrechtlicher Vertrag abgeschlossen werden, wonach
sich die Staaten zur gemeinsamen Ausarbeitung eines Verfassungsentwurfes
verpflichten. Allein das sind bloß präparatorische Schritte. — Die Abgabe
der Unterwerfungserklärung und die Entgegenahme derselben durch das
provisorische Zentralorgan bilden einen Konsens und damit einen vertrags-
ähnlichen Vorgang. Man kann aber nicht von einem eigentlichen Vertrage
sprechen; denn dieser setzt voraus, daß die Parteien auf gleichem Fuße
miteinander verkehren, während es sich bei der Gründung des Bundes um
eine Unterziehung des einen Teiles unter den Willen des andern handelt.
Es entsteht so nicht ein Vertrags-, sondern ein Unterwerfungs- und Ge-
waltverhältnis, das die Mitgliedschaft oder Angehörigkeit bewirkt. Ein all-
fälliger gewaltsamer Rücktritt eines Staates ist nicht Vertragsbruch, son-
dern Bruch eines völkerrechtlichen Abhängigkeitsverhältnisses,