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Vorrede zum zweiten Bande seiner Philosophie des Rechts (Bd. 111,
S. XIII ff., auch Bd. I, 3. Aufl., 8. XV ff); dort bekennt er vor
allem, daß er von SCHELLING den Mut erhalten habe, „von Ueber-
zeugungen, die man als in ein eignes Gebiet gehörig im Innersten
zu verschließen und nur gegen feindliche Angriffe zu schützen
pflegt, auch positiv den vollständigsten wissenschaftlichen Ge-
brauch zu machen“ (Phil. des Rechts Bd. I, 3. Aufl., S. XIV).
In den Münchner Jahren ist auch der erste Teil seines wissen-
schaftlichen Hauptwerks entstanden:. im Jahre 1830 erschien der
erste Band seiner „Philosophie des Rechts nach geschichtlicher
Ansicht.“ Dieser Band ist ausschließlich der polemischen Aus-
einandersetzung mit dem Rationalismus und der Philosophie HEGELs
gewidmet. STAHL hat selbst einmal die Ueberwindung des Ra-
tionalismus in der Philosophie und im gesamten Leben als das
Grundthema seiner Philosophie bezeichnet. Der Rationalismus
löst die konkrete Wirklichkeit in abstrakte Begriffe auf; seine
Erkenntnisse können daher nur „negative“ sein: denn logische
Notwendigkeit ist immer nur Undenkbarkeit des Gegenteils.. Nur
in einer theistischen Weltanschauung ist die Lösung der Er-
kenntnisprobleme möglich, die der Rationalismus nieht zu leisten
vermag; nur wenn ein persönliches schöpferisches Wesen das
höchste Prinzip der Welt ist, läßt sich die konkrete Lebendig-
keit und unendliche Mannigfaltigkeit der Dinge aus ihm begrei-
fen. Die theistische Philosophie erweist sich namentlich frucht-
bar auf dem sittlichen Gebiet: „die Sitte besteht nirgends bloß
als Gesetz und erfüllender Einzelner, sie besteht überall als be-
wußte gemeinsame Anforderung und Fügung nach einem gemein-
samen Ziel, sie besteht überall als Reich“. So ersetzt STAHL
das abstrakte Pflichtgesetz der rationalistischen Ethik durch das
Gebot des persönlichen Gottes. Damit lehnt er zugleich die
3 Eine klare Uebersicht über den Inhalt der „Philosophie des Rechts“
gibt Erich KAUFMANN, Studien zur Staatslehre des monarchischen Prinzips
(1906), S. 53 £.