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der Gesellschaft, er ist nur der Bankerutt der Gesellschaft.“
(Siebzehn Reden, S. 26). „Wenn man die Kammern aufhebt, ist
damit auch die Macht des öffentlichen Urteils aufgehoben? Wird
nicht vielmehr diese Macht dann allein der Tagespresse und dem
Wirtshausgespräche verbleiben? Sind aber die Kammern nicht
ein viel zuverlässigeres und ein viel würdigeres Organ als jene?“
(24. Febr. 1853, S. 33). Bemerkenswert sind besonders seine
Gedanken über das Wahlrecht, die freilich von seinen heutigen
Parteigenossen nicht mehr geteilt werden: „Wenn wir eine solche
Gruppierung der Sozietät nach Interessen hätten, dann wäre es
unsere unabweisbare Aufgabe, die zweite Kammer auf sie zu
gründen und jenem gedankenlosen und bürgschaftslosen Systeme
der drei Vermögensklassen ein Ende zu machen“ (22. Nov. 1849,
8. 54.£.).
In dieser Mittelstellung, diesem entschlossenen Konstitu-
tionalismus bei strenger Wahrung der königlichen Rechte’, ruht
STAHLs Bedeutung als Parteipolitiker. Den einzigen großen poli-
tischen Kopf unter allen Denkern jüdischen Blutes nennt ihn
TREITSCHKE (Bd. V, S. 415). Seinen näheren politischen Freun-
den freilich galt er nicht immer als zuverlässig, und namentlich
den Brüdern GERLACH erschien er als „zu konstitutionell“. Ihre
Staatsanschauung wurzelte freilich noch in der altständischen
Staatslehre HALLERs, die STAHL von vornherein bekämpfte, ‘und
die Gemeinsamkeit ihrer Anschauungen gründete sich wohl mehr
auf den positiven christlichen Glauben !°. Dann aber fanden sie
sich auch wiederum zusammen in der gemeinsamen entschiedenen
Gegnerschaft gegen den Liberalismus. Für STAHL war Liberalis-
® „Ich bin ein Anhänger der konstitutionellen Monarchie so gut als
Einer, im Sinne eines eingeschränkten Königtums, im Sinne einer unver-
brüchlichen öffentlichen Rechtsordnung und einer geregelten Verwaltung,
gestützt durch die Volksvertretung, im Sinne eines wahrhaften Zusammen-
wirkens des persönlichen selbständigen Willens des Königs und des Volks-
willens.“ (Die Deutsche Reichsverfassung, 1849, 8. 9.)
10 Vgl. SALZER a. a. O., 8. 206 ff.