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Willensmängel schließt der Halbband. Was hier insbesondere die durch
Drohung erzwungene Willensbetätigung betrifft, so ist besonders strittig,
wer widerrechtlich zur Abgabe einer Willenserklärung bestimmt worden ist.
Wenn das Reichsgericht früher eine widerrechtliche Absicht des Anfech-
tungsgegners gefordert hat, jetzt aber nur verlangt, daß die Drohung an
sich widerrechtlich und die Drohung, nicht auch deren Widerrechtlichkeit,
dem Drobenden bewußt gewesen sein muß — für das Einzelne verweise
ich auf einen Aufsatz von mir über „die rechtswidrige Ueberwindung des
freien Willens“ in Bl. f. RA. 78 (1913), 249 —, so fordert von TUuHR ein
widerrechtliches Uebel oder eine Handlung, die, wenn auch an sich zulässig,
doch nicht zur Erzwingung eines Vermögensrechts gebraucht werden darf
(S. 613). Es ist aber erforderlich und genügend, daß der Anfechtende wider
das Recht durch Drohung zur Abgabe der Willenserklärung bestimmt, daß
die Freiheit seines Willens wider das Recht gebeugt wurde und zwar ent-
weder durch die Androhung eines wider das Recht verstoßenden Uebels
oder durch die Androhung eines Uebels zur Erreichung eines widerrecht-
lichen Zweckes — daß der Drohende kein Recht auf das Verlangte hat,
macht die Drohung noch nicht widerrechtlich — oder endlich durch die
Androhung eines Uebels zur Erreichung eines Zweckes, der durch eine
solche Drohung nicht erlangt werden darf (vgl. a. a. O.S. 256), wobei also
die Beisetzung der Drohung wider das Recht verstößt.
Selbstverständlich können die wenigen Stellen, an denen bei der ein-
gehenden Darstellung vow Tuans der eine oder der andere sich einer etwas
anderen Ansicht bewußt wird, an der Beurteilung des hervorragenden
Werkes nicht das ‚geringste ändern. Möge es von TUHR vergönnt sein,
die Darstellung des „Allgemeinen Teils“ des BGB. und auf seiner Grund-
lage dann auch die der übrigen Teile des Gesetzbuchs zu vollenden.
Zweibrücken Silberschmidt.
München. m
Dr. Franz Leifer, Die Einheitdes Gewaltgedankensimrö-
mischen Staatsrecht. Ein Beitrag zur Geschichte des öffent-
lichen Rechts. München und Leipzig. Verlag von Duncker und
Humblot. 1914.
Wenn jede Gewalt begrifflich eine Einheit darstellt, so kann doch die
Betätigung der Gewalt sich entweder so auf mehrere Träger verteilen, daß
jedem nur eine entsprechende Teilgewalt, deren Summe die volle Gewalt
bildet, zusteht oder die Ausübung der Gewalt kann mehreren Personen in
der Weise zukommen, daß jede die ganze Fülle in sich vereint. Von
diesem Gedankengang ausgehend (8. Lf.) vertritt Leirer die Richtigkeit
des MomMSEnschen Satzes von der strengen Einheit der römischen Gewalt-
idee zum Teil gegen MoMMSEN selbst (S. 13f), seine Vorgänger und Nach-
folger, die den Begriff der Gewalt, unter sich wieder nicht übereinstim-
mend, in imperium und iurisdietio zerlegten, wie LEIFER in einem ersten,