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richteter völkerrechtlicher Verträge bedarf, ist seit 1912 die des
einfachen Reichsgesetzes. Vorher konnte der Kaiser als das zur
Ausübung der Staatsgewalt in den Kolonien berufene Reichs-
organe allein über Kolonialgebiet verfügen®!. Nach dem Reichs-
gesetz betr. Abänderung des SchGG. vom 16. Juli 1912% (SchGG.
S 1 Abs. 2) bedarf es zum Erwerb und zur Abtretung eines
Schutzgebietes oder von Teilen eines solchen eines Reichsgesetzes ;
auf Grenzberichtigungen findet diese Vorschrift keine Anwen-
dung.
Il.
Selbständige Verfügungen Preußens über das
preußische Staatsgebiet sind nur noch in dem Falle denk-
bar, daß die preußische Staatsgewalt ihren Wirkungsbereich zu-
gunsten eines anderen deutschen Gliedstaates verkleinert, daß sie
— vulgär gesprochen — preußisches Gebiet an ihn „abtritt“.
Aber auch hier wird die Frage praktisch, ob ein solcher Vorgang
ohne Mitwirkung des Reiches statthaft ist. Die herrschende
Lehrmeinung °® bejaht diese Frage, erkennt also das selbständige
Verfügungsrecht der Gliedstaaten über ihr Gebiet bei Verände-
rung nur der Reichsbinnengrenzen an. So erklärt z. B. LABAND®?, es
stehe den Einzelstaaten frei, die Binnengrenzen ihrer Gebiete
durch Abtretung oder Austausch zu verändern, ohne daß sie dazu
9 v. HOFFMANN, Einführung in das deutsche Kolonialrecht, 1911, 20.
GIıEsE, Zur Geltung der Reichsverfassung in den deutschen Kolonien, in
Festgabe für PAauL Krüger, 1911, 442.
2 RGBl. 1912, 495.
% LABAND, Staatsrecht I. 202 f. HAENEL I, 347 f. v. SEYDEL, RV. 37.
v. GERBER, Grundzüge ®? 70°. TınscHa, Das Recht der deutschen Einzel-
staaten, bzgl. des Abschlusses völkerrechtlicher Verträge, 1882, 41 f. PREUSS
409 f. Meyer-Anscaürz $ 164 1%. AnscHürz in Enzykl. IV, 80 f. AnscHÜTz,
Die VU. für den Preuß. Staat. Ein Kommentar für Wissenschaft und Praxis.
I. 1912, 82. ARNDT, VU. 71911, 61. HUBRICH, Staatsrecht 153. OTTO MAYER,
Das StR. des Kgr. Sachsen, 1909, 22.
% Staatsrecht I. 202 £.