Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 37 (37)

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die Prägung als Rechtsverhältnis zu humanisieren versucht. Hierbei aber 
verfehlt es sich unversehens gegen die Grundvorstellung alles Rechtes, und 
muß es durch diese Versündigung am Geiste des Rechtes erleben, daß seine 
Thesis auf Schritt und Tritt von den Tatsachen widerlegt wird. 
Es gilt, diesem Irrtum einmal mit aller Entschiedenheit entgegenzu- 
treten. Ich habe in einem kleinen Aufsatz: „Ist der Krieg ein Rechtsver- 
hältnis ?*, der im Dezemberheft der Deutschen Revue 1912 erschienen ist, 
u. a. folgendes ausgeführt: 
„Das Kriegsrecht enthält eine ganze Menge von Normen, die dem 
Kriegsbeginn und dem Friedensschluß den Schein eines Rechtsverfahrens 
geben, und eine ganze Menge von Verboten, welche die Kriegführung bin- 
den, allein der Krieg selbst vollzieht sich in seinem wesentlichen Teil, 
seinem Zerstörungswerke, doch nicht nach Normen des Rechtes, sondern 
unter Beachtung oder auch Nichtbeachtung der hemmenden Normen nach 
den Eingebungen der Kriegführenden und nach den Maximen der Kriegs- 
technik. Vor dieser Erkenntnis darf sich auch das Völkerrecht nicht ver- 
schließen. Man kann den Krieg nicht ungestraft in Gedanken auf 
die Höhe einer humanen Einrichtung des Rechtes erhebeu, ohne dadurch 
in der Tat das Recht selbst zu degradieren. Nur wenn man den Begriff 
des Rechtsverhältnisses aus der Sphäre der positiv-rechtlichen Anschauungs- 
weise in die abstrakte Sphäre der moralisch naturrechtlichen Würdigung 
erhebt, läßt es sich sagen, daß dieser oder jener Krieg etwa für den einen 
oder anderen Kriegführenden eine Tat des Rechtes gewesen ist. Der von 
einem Raubstaat überfallene Kulturstaat mag seine Maßnahmen der Selbst- 
behauptung als sein gutes Recht verteidigen, aber der noch so korrekte 
Angreifer wird schwerlich, was er tut, aus einem behaupteten Rechtsver- 
hältnis erklären können.“ 
Ich halte diese Sätze auch nach den Erfahrungen dieses Krieges ohne 
Einschränkung aufrecht. Ebenso auch die weiteren: 
„Es ist in der Theorie nicht ausgeschlossen, daß Kriege einmal Rechts- 
handlungen werden können. Sie werden es in der Wirklichkeit aber erst 
werden, wenn sie nur mehr zur Geltendmachung von Ansprüchen des Rechtes 
und in einem nach allen Seiten rechtlich geordneten Verfahren geführt 
werden. 
Solange weder das eine noch das andere der Fall ist, bleibt der Krieg 
eine geschichtliche Tatsache und die Behauptung seiner Rechtsnatur eine 
Forderung des Naturrechtes und unbrauchbar als Erklärung des positiven 
Rechtes.* 
Soviel ich sehe, haben diese Ausführungen in der Literatur des Völker- 
rechtes ebensowenig Beachtung gefunden, wie sie umgekehrt durch die 
Tatsachen dieses Krieges sich als wahr bestätigt haben. 
Erfreulich aber ist, daß die deutsche Völkerrechtslehre beginnt, bei 
16*
	        
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