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wiesen wird ®. Trotz der mannigfaltigen Fortschritte des Verbands-
begriffes* hat sich die eben geschilderte Summierungstheorie bis
in die neueste Zeit herein erhalten. Ich zitiere nur Namen wie
MEURER, HÖLDER und BINDER.
Gegenüber der die Verbandsperson als Fiktion betrachtenden,
noch in der neuesten vertretenen Lehre, bedeutet die organische
Auffassung der Verbände und speziell der Staaten aus folgenden
Gründen eine Verbesserung: Die Anhänger der organischen Theorie
und insbesondere O. v. GIERKE betonen das Reelle der Korpo-
ration und auch des Staates.
Ich unterscheide mich von GIERKE aber darin, daß ıch nicht
eine reelle Gesamtperson der Korporation, nicht einen „wollenden
und handelnden Verbandsorganismus“ annehmen kann. Reell oder
wirkend ist die der Körperschaft zugrunde liegende relativ einheit-
liche Willensäußerung der einzelnen Mitglieder, ferner der Befehl
der Rechtsordnung, daß diese Willensvereinigung als Rechtssubjekt
betrachtet wird. Die körperschaftliche Rechtsperson ist die Zu-
sammenfassung einer relativ einheitlich wirkenden Vielheit von
Mitgliedern zu einer rechtlichen Einheit, die den einzelnen Mit-
gliedern gegenübertritt. Dieses Gegenübertreten ist völkerpsycho-
logisch begründet.
Der Verbandswille und also auch der Staatswille ist etwas
anderes als die bloße Summe der Einzelwillen. Der Verbands-
wille tritt nicht bloß in außergewöhnlichen, sondern auch in nor-
malen Zeiten den Einzelwillen als etwas qualitativ und quantitativ
von ihnen Verschiedenes gegenüber °. Daraus darf aber nicht
® L. 76 de judic. D. 5, 1 (Alfenus).
* Vgl. das Fundamentalwerk O. v. GIERKEs über das deutsche Ge-
nossenschaftsrecht, insbes. Bd. III (1881), die Staats- und Korporationslehre
des Altertums und Bd. IV (1913), ferner die Franzosen MıcHoup, 1906 und
1909, La theorie de la personnalit6 morale, SALEILLES, De la Personnalite
juridique (1910), auch FERRARA, Le persone giuridiche (1907—1914) u. a. m.
5 Ueber die Unterscheidung von relativ einheitlichem Triebwollen und
Archiv des öffentlichen Rechts. XXXVII. 3. 23