Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 37 (37)

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Von den zahlreichen Beispielen, die für die erste Erschei- 
nung — Hinausragen des Staates im historisch-politischen Sinn 
über den im juristischen Sinn — die Geschichte bietet, wurde 
das Beispiel Oesterreichs schon kurz vorweggenommen und soll, 
da es uns später noch eingehend beschäftigen wird, an dieser 
Stelle übergangen werden. Eben dieses Verhältnis bringt es ins- 
besondere mit sich, daß die Staatswerdung im Rechtssinne 
‚bei den meisten Staaten von heute ungleich später anzusetzen 
ist als die Entstehung des analogen historisch-politischen Staats- 
individuums. Für das heutige Oesterreich die Geburtsstunde 
festzustellen, wird ja auch noch im besonderen unsere Aufgabe 
sein. 
Wie einerseits Gleichbenanntes nicht immer, ja nicht einmal 
in der Regel dasselbe ist, so ist andererseits verschieden Benanntes 
mitunter wesensgleich. Diese Erfahrung kann man auch an Staats- 
gebilden machen. 
Bei Pflanzerstaaten wird sich am ehesten der Fall ereignen, 
daß die rechtliche Kontinuität zwischen Mutterstaat und Tochter- 
staat gewahrt bleibt, daß der Pflanzerstaat auf neuem Boden den 
Mutterstaat einfach fortsetzt; so wenn die Absonderung und Aus- 
wanderung eines Volksteiles von Staats wegen vor sich geht; ja 
auch die Aufhebung der Siedlungsstätten durch die Volksgesamt- 
heit, deren Wanderung und Ansiedelung auf neuer Erde bedeutet 
für die historisch-politische Betrachtung wohl eher den Untergang 
des bisherigen und die Entstehung eines neuen Staates, ohne daß 
hiedurch die Rechtskontinuitüt durchbrochen zu sein brauchte. 
Im Gegensatz zu diesen geschichtlich jedenfalls sehr weit 
zurückreichenden, in der Neuzeit fast oder ganz inaktuellen Reali- 
vorigen Beispiele der deutschen Bundesstaaten annehmen, welche für die 
juristische Betrachtung als sozusagen völlig organisch in das Deutsche 
Reich hineingewachsen und in ihrer Identität unberührt erscheinen, für die 
historisch-politische Betrachtung sich aber möglicherweise als etwas grund- 
sätzlich Neues, durch den Uebergang vom souveränen zum Gliedstaat in 
ihrem Wesen Berührtes darstellen.
	        
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