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etwas anderes will, als gestern, ist er es insbesondere dann noch,
wenn ihn die Verfassung zwar zu einem gesetzgeberischen Wollen,
aber doch nicht ausdrücklich zu einem nochmaligen und verschie-
denen Wollen ermächtigt hat, — wenn also einer der beiden
Akte weichen muß — und das ist bei der Vereinheitlichung von
Widersprechendem unvermeidlich, ein Kompromiß ist ausge-
schlossen — warum gerade das ältere Gesetz weichen und das
jüngere das Feld behaupten soll! Ungleich näher liegend, ja
schlechthin logisch geboten scheint mir gerade die entgegen-
gesetzte Lösung. Freilich ist es nicht das Alter, das dem frühe-
ren Gesetze vor dem späteren einen solehen Vorrang verleiht, —
diese zeitliche Priorität wäre ein ebenso aus der Luft gegriffenes
Prinzip wie das fast dogmatisch geltende der zeitlichen Posteriorität
— sondern die Tatsache, daß (voraussetzungsgemäß) das frühere
Gesetz verfassungsmäßig zustande gekommen ist, daß somit da-
durch eine bestimmte Stelle im Rechtssystem mit einem bestimmten
aus den möglichen Rechtsinhalten eingenommen und damit ferner
jedem widersprechenden Rechtsinhalte den Platz genommen hat.
Ihm den besetzten Platz zu nehmen, ist nur der Faktor imstande,
der ihm den Platz eingeräumt hat, die Verfassung — und nicht
der Gesetzgeber, der nur mit Ermächtigung der Verfassung Recht
gesetzt hat, und, wenn er das so gesetzte Recht ohne Ermächti-
gung der Verfassung abzuändern unternimmt, ein juristisches
Nichts setzt oder anders ausgedrückt, insofern überhaupt nicht
mehr Gesetzgeber ist. Den Schein des Gesetzgebers bei letzterem
Akte nimmt er nur dadurch an, daß man mit dem in nichts be-
gründeten Prinzipe von der lex posterior eine künstliche Einheit
mit der lex posterior herstellt, (wobei man diese einfach fallen
läßt), und beide Akte einer gemeinsamen Autorität zurechnet,
welche in Wirklichkeit nicht vorhanden ist.
Die Voraussetzung des einheitlichen Rechtssystems schließt
die Anwendung eines nicht im Recht begründeten, als rechtslogi-
sches Prinzip gedachten, d. h. im Grunde voraussetzungslosen