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stehe. Ob deshalb nicht vom Reiche Widerspruch erhoben wer-
den könnte, daß sich ein Bundesstaat also enteigne, vielmehr, ob
nicht seine gestattende Mitwirkung erforderlich wäre, ist eine
manchmal aufgeworfene Frage. Wenn wir sie verneinen, sind
wir uns wohl bewußt, daß damit der, von der Reichsverfas-
sung — einstmals — vorausgesetzte Bestand der fünfundzwanzig
Bundesstaaten angegriffen wird. Wir sind deshalb auch Begrün-
dung schuldig, behalten sie uns aber gemeinsam mit der Be-
sprechung der sich aus Gebietsveränderungen ergebenden
Verhältnisse vor.
Und nunmehr zu diesem! Grenzberichtigung, größere Ge-
bietsabtretung, Einverleibung, Verschmelzung, Teilung sind die
Vorgänge, auf die wir unser Augenmerk zu richten haben. Dabei
beobachten wir, daß die ersten beiden die Zahl der fünfundzwanzig
Bundesstaaten unberührt lassen, die nächstfolgenden zwei sie min-
destens um einen verringern, der letzte aber um mindestens einen
vermehrt. Daß wir Grenzberichtigung und Gebietsteilabtretung
in den Bereich dieser Erörterung ziehen, geht deswegen an, weil
sie sich als Vorstufe der Einverleibung des ganzen Staatsgebietes,
sei es durch Aufnahme oder Verschmelzung, vorlagern, aber auch
aus dem Grunde, weil manchmal auf die so bedingte Machtverschie-
bung der Fortbestand der Stimmenverteilung in Art. 6 RV. ab-
gestellt wird.
Die Reichsverfassung spricht von der Gesamtheit der deut-
schen Bundesstaaten an drei Stellen, im Eingange, wo die Staaten
des ehemaligen Norddeutschen Bundes aus dessen Grundgesetz zu
ergänzen sind, in Art. 1 und Art. 6 ihres Textes. Bedeutung als
Rechtssatz kommt nur den beiden letzten Stellen zu, der Eingang
erfüllt ausschließlich eine geschichtlich-erzählende Aufgabe. Man
hat nun aber sowohl dem Art. 1 wie dem Art. 6 die Bedeutung
beigemessen, daß sie eine Bestandsgewähr für die fünfundzwanzig
Bundesstaaten bilden, die Fortdauer dieser fünfundzwanzig Staats-
wesen als Reichsglieder sicherstellen. Beide Male zu Unrecht.