— 97 —
welcher er Rechte und Verbindlichkeiten der Einwohner zu beurteilen hat
($ 1), als die Rechtsregel also, den Rechtssatz. Der allmächtige Landes-
herr kann auch für den Einzelfall bestimmen (Dispensation, Privilegium).
Dann ist das keine Rechtsregel, kein Rechtssatz. Aber es tut für diesen
Fall die Dienste eines solchen, indem der Richter selbstverständlich ihn
danach beurteilen muß. Daraus ergibt sich Uebertragung des Namens:
"unter Gesetz wird neben dem eigentlichen, rechtssatzbringenden, auch
dieses Einzelgesetz, „Individualgesetz“ begriffen (Husrıch im Verw.
Arch. XVI S. 519, S. 258).
So wäre denn auch die Errichtung einer neuen Korporation und na-
mentlich die einer Universität „in vorkonstitutioneller Zeit“ durch ein Pri-
vilegium des Herrschers erfolgt. Der Verfasser nennt es ein „Legalpri-
vileg“. Seit der Verfassung aber hätte sich das geändert: der Herrscher
vermochte jetzt „nur durch ein Administrativprivileg“ so zu
wirken (S. 112); das will sagen: er bedurfte einer gesetzlichen Grundlage
dafür, die in ALR. II, 6 $ 25 ff., bzw. Il, 12 $ 67 zu finden wäre.
Die Eigenart des neuen Rechtszustandes scheint mir hier allerdings
recht unvollkommen zum Ausdruck gebracht zu sein. Das Staatsoberhaupt
könnte ja auch jetzt noch ein Gesetz für den Einzelfall erlassen, mit Zu-
stimmung der Volksvertretung natürlich, ein „Gesetz im formellen Sinne“.
So geschah z. B. die Gründung der Straßburger Universität. In Preußen dient
die allgemeine Regel von ALR. II, 12 8 67 dazu, um mit einem solchen Grün-
dungsakt die Verleihung der juristischen Persönlichkeit
zu verbinden. Die Gründung selbst bedarf, abgesehen davon, keiner ge-
setzlichen Grundlage; das ist eine dem Gebiete der Verwaltung angehörige
Maßregel obrigkeitlicher Art, ein Verwaltungsakt, der in das Gebiet des
Gesetzes nicht eingreift. Von einem Privileg zu sprechen, hat hier weder
Sinn noch Zweck mehr. Das Universitätstatut enthält die ge-
naueren Bestimmungen über die Rechte des Senates, die Besorgung der
Universitätsgeschäfte, die Verhältnisse der Studierenden. Das sind Amts-
aufträge, Dienstanweisungen, Anstaltsvorschriften. Von Kechtsverordnung
ist dabei keine Rede, von Privileg erst recht nicht. Vgl. O. M. Deutsch.
VR.? II S. 609 fi.
ANSCHÜUTZz, Begriff der gesetzgebenden Gewalt S. 70 ff. hat die gänzlich
veränderte Auffassung, welcher die Neuzeit diese Dinge unterzog, recht gut
zum Ausdruck gebracht. Er wird deshalb vom Verfasser wegen „konse-
quenten Uebersehens der positiven preußischen Rechtsentwicklung“ hart
angelassen (S. 106). Auch die neue Universität Frankfurt bekommt Vor-
halt gemacht, daß sie statt eines ordentlichen „Legalstatuts* eine Anstalts-
ordnung im Sinne von ANSCHÜUT7 erhalten hat, mit der gruseligen Wirkung,
daß sie „juristisch nicht als eine den bisherigen preußischen Universitäten
ebenbürtige Schwester“ anzuseben wäre (S.115). Der Verfasser geht dabei
von der Meinung aus, daß die Anhörung der Universität nach ALR. II, 12
Archiv des öffentlichen Rechts. XXXIX, 1. 7