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gegenüber den 39 weit enger gedruckten des jetzigen Sachverzeichnisses.
Geblieben ist die klare verständige Darstellung und die gedrängte Zu-
sammenfassung des Stoffes. Geblieben auch der wohltuende Glaube an die
siegreiche Kraft der Völkerrechtsidee und der Friedensbestrebungen, trotz
allem.
Das Wesen des Völkerrechts wird wie von Anfang an und gemäß der
herrschenden Auffassung in engem Anschluß an das vom Privatrecht ge-
lieferte Vorbild gesucht: wie dieses mit verpflichtender Kraft über den
Einzelmenschen steht, so jenes über den Staaten. Da eine übergeordnete
Gewalt, welche dort die Bindung schafft, hier fehlt, so sucht man den Er-
satz auf verschiedenen Wegen; gerne faßt man auch, da jedes einzelne
dieser Ersatzmittel nicht ausreicht, mehrere zusammen. Der Verf. beruft
sich auf das „gemeinschaftliche Prinzip“ (S. 6): die Kulturstaaten bilden
„heute“ einen völkerrechtlichen „Staatenverband auf gemeinschaftlicher
Organisation“ und mit „rechtssetzender Gewalt“. Außerdem — denn etwas
anderes ist es ja — macht sich hier die von JELLINEK so eifrig vertretene
Kraft des „sich selbst bindenden Willens“ des Staates geltend (S. 6). Bıx-
DINGs und TRIEPELs „Vereinbarung“ tut ihre Wunder (S. 6 und 7). Auch
das „allgemeine Rechtsbewußtsein“, wie es im Gewohnheitsrecht erscheint.
bindet den Staat (S. 7). Alle diese Dinge binden den Staat „auch gegen
seinen Willen“; denn sie sind „verpflichtena gemeint“ und der Staat ,kann
sich nicht von der Verpflichtung frei machen.“ Warum nicht? Weil „das
Verbleiben in dem Staatenverein der Völkerrechtsgemeinschaft“, in den „ver-
schlungenen Fäden des internationalen Verkehrs“ ihm unentbehrlich ist:
Austritt wäre „Selbstvernichtung“ (S. 7 und 8).
Was noch fehlt zur Vollkommenheit wäre nur eins: „Die Einfüh-
rung desZwangesindas System des Völkerrechts* (8.3).
Daran hängt die Zukunft. Das ist aber zu erreichen einfach dadurch, daf
an die Stelle der „jetzt anarchischen Organisation des Staatenverbandes‘
in nächster Zukunft ein „organisierter Friedensverband der Staaten“ tritt
(S. 366). Dieser handhabt alsdann die „Bundesexekution* gegen den et-
waigen Friedensstörer mittels der „völkerrechtlichen Interdiktion (wirt-
schaftlicher Boykott, none intercourse)“, im Notfall auch durch „militärische
Intervention“ (S. 367).
Kein Zweifel allerdings, daß damit das Ideal eines juristisch ausge-
stalteten Völkerrechtes als verwirklicht gelten könnte. Aber was wird das
wert sein? Mir scheint, wir greifen es in diesem Augenblick mit Händen,
erleben es an unserem Leibe. Die abscheuliche Verschwörung, die wir
immer noch mit dem sanften Namen „entente“ bezeichnen, hat die Völker
der Erde zu einem „organisierten Verbande“ vereinigt, der ein „Friedens-
verband‘ ist; sie sagt es ja selbst! Sie handhabt die „Bundesexekution“
zum Schutze der Freiheit und des Rechtes gegen das herrschsüchtige
Deutschland — eitel Flunkerei, aber was hilft uns das? Sie bedroht uns