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nelles Vorgehen gemäß dem Privatdozentengesetz von 1898 für
aburteilungsreif.
Der gekennzeichnete Auslegungsstandpunkt des Staatsmini-
steriums, der nach v. RHEINBABEN, Die preußischen Disziplinar-
gesetze 1911 S. 95 durch Entscheidungen aus den Jahren 1882
und 1893 festgelegt wurde, ist indessen verfehlt. V. RHEINBABEN
hebt selbst an anderer Stelle (Art. „Disziplin“ in V. STENGEL-
FLEISCHMANN, Wörterbuch des deutschen Staatsrechts I S. 572)
zutreffend hervor, daß das Disziplinarstrafrecht des Staats nur
eine Folge seiner Dienstherrlichkeit gegenüber dem Beamten ist,
und daraus folgt mit unbedingter logischer Konsequenz, daß solche
Handlungen eines Beamten der disziplinellen Ahndung an sich
entzogen sind, welche vor Begründung der Dienstherrlichkeit des
Staats vorgefallen. Sollten derartige Handlungen nichtsdesto-
weniger dem staatlichen Disziplinarstrafrecht unterliegen, so müßte
der Gesetzgeber dies durch eine klare und unzweideutige Vorschrift,
die an sich durchaus prinzipwidrig wäre, positiv
anordnen. In einzelnen deutschen Landesgesetzgebungen ist denn
auch tatsächlich positiv bestimmt, daß die disziplinelle Ent-
fernung vom Amt auch wegen solcher Handlungen verhängt werden
könne. deren sich der Beamte vor dem Eintritt in den Staats-
dienst schuldig gemacht habe, wenn dadurch das Ansehen des
Beamten in dem Maße geschmälert sei, daß diese Maßregel als
geboten erscheine®. Dagegen ist der preußische Gesetzgeber selbst
angesichts soleher Vorbilder bisher stumm geblieben, und nichts
berechtigt nunmehr die Auslegung in Preußen, die vom Gesetz-
geber vielleicht beabsichtigte Gesetzeslücke durch eine durchaus
prinzipwidrige Entscheidung eigenmächtig zu schließen*.
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® v. RHEINBABEN a. a. O. 574, Disziplinargesetze 8. 97.
* Auch ScHhosn, Das evangelische Kirchenrecht in Preußen II 272,
unterstellt der Disziplin sachlich nur „Verletzungen der Dienstordnung“,
und „daher sind ausgeschlossen von der disziplinarischen Verfolgung alle
Handlungen, die der Beamte vor dem Eintritt in den Dienst begangen ;
denn die Dienstpflicht kann der nicht verletzen, der in keinem Dienstver-
hältnis steht“.