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seinem natürlichen Zusammenhang mit „durch sein Ver-
halten in und außer dem Amte*“ sinnwidrig losgelöst
und der ganze fremde Begriff des „Bekanntwerdens“ in das Ge-
setz selbst eigenmächtig hineingetragen. „Im Auslegen seid frisch
und munter — legt ihrs nicht aus, so legt was unter.“
Es haben denn auch das Oberverwaltungsgericht, der Große
Disziplinarsenat des Kammergerichts und der Kaiserliche Diszi-
plinarhof in Leipzig in neueren Entscheidungen den Auslegungs-
standpunkt des preußischen Staatsministeriums nicht gebilligt und
im Gegenteil angenommen. daß nur ein Dienstvergehen im strengen
Sinne des Begriffs d. h. eine Verletzung der erst mit der Ueber-
nahme des öffentlichen Amts überkommenen Pflichten zu einem
disziplinellen Einschreiten führen könne. „Die Konstruktion, daß
der Mangel der persönlichen Integrität, das Nichtmitbringen der-
selben in ein Amt ein besonderes Dienstvergehen sei, ist logisch
kaum haltbar, abgesehen davon, daß sie im Gesetz keinen Boden
findet“ (Großer Disziplinarsenat des Kammergerichts vom 20. De-
zember 1904). Nun hat V. KHEINBABEN selbst noch die eigene
Meinung, ein Dienstvergehen sei auch darin zu finden, daß ein
Beamter nach der Anstellung die Täuschung der Behörde, die er,
um Beamter zu werden. begangen, späterhin aufrechthalte, weil
darin eine Verletzung der jedem Beamten obliegenden Pflicht der
Wahrhaftigkeit liege. Die praktische Konsequenz dieser Auf-
fassung wäre, daß der Beamte die Amtspflicht hätte, sich selbst
sofort nach Erlangung der Beamteneigenschaft wegen der ver-
übten Täuschung zu denunzieren. Gewiß ist der Gesetzgeber in
der Lage, in dieser Weise die Beamtenpflicht zur dienstlichen
Wahrhaftigkeit positiv auszubauen, und das ist unzweifelhaft jetzt
geschehen, wenn gesetzlich vorgesehen ist, daß ein disziplinelles
Einschreiten auch wegen der Handlungen vor der Anstellung
stattfinden könne. Der preußische Gesetzgeber hat aber die letztere
Anordnung nicht getroffen, und demgemäß muß es als fraglich,
weil der menschlichen Natur zuwiderlaufend, angesehen werden,