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daß der preußische Gesetzgeber eine derartige Selbstdenunziations-
pflicht dem Beamten als Amtspflicht auferlegt haben sollte. Aller-
dings wenn der durch Täuschung der Behörde Beamter gewordene
nachträglich über die Vorgänge dienstlich interpelliert wird, hat
er sofort die volle Wahrheit zu sagen®; denn ein Leugnen in
diesem Stadium ist allerdings ein echtes und rechtes Dienstver-
gehen, weil absolut unvereinbar mit der Amtspflicht zur dienst-
lichen Wahrhaftigkeit’.
Das richtige Auslegungsresultat, das für Nr. 2 Disziplinar-
gesetz von 1852 ermittelt, gilt selbstverständlich analog auch be-
züglich des Privatdozenten, der nur durch grobe Täuschung der
Fakultät über ein vorherliegendes Ereignis die venia legendi er-
teilt erhalten hat. Ein disziplinelles Einschreiten gemäß $ 1 Privat-
dozentengesetz von 1898, dessen Fassung mit $2 Disziplinargesetz
von 1852 übereinstimmt, ist ausgeschlossen, auch wenn der Pri-
vatdozent nachher bloß unterlassen hat, sich selbst zu denunzieren.
Selbstverständlich kann der Betreffende nıcht Privatdozent bleiben,
aber ihm beizukommen, gelingt juristisch nur auf dem Wege, den
die deutsche Verwaltungsrechtswissenschaft erst in neuester Zeit
genauer untersucht hat: nämlich durch Nachgehen der Frage,
inwieweit beinflussen Willensmängel im Augenblick des Erlasses
die Gültigkeit von Verwaltungsakten ?
Es kann nicht die Aufgabe sein, diese Frage hier im ganzen
Umfange aufzurollen, es muß hier der Hinweis genügen, daß in
der Tat beachtbare Vertreter des deutschen öffentlichen Rechts
in nicht weiter zu beanstandender Weise eine Kraftloserklärung eines
durch arglistige Täuschung der Behörde erlangten Verwaltungs-
akts nachlassen. So erkennt LABAND Deutsche Juristen-Zeitung
1907 S. 207 die Rückgängigmachung einer Titelverleihung an:
„wenn sie von dem durch die Verleihung Ausgezeichneten durch
° Vgl. OVG. 22, 423: „Wenn er . auch einer ausdrücklichen An-
frage gegenüber jene Tatsache unterdrückt haben sollte.“
? v. RHEINBABEN, Disziplinargesetze S. 73.