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und Gewissen ihres Amtes walten, und diese Entwicklung muß. auf
das lebhafteste begrüßt werden.
Mag der technische Vorgang bei der Veranlagung noch so
verschieden sein, stets ist das Ziel die richtige, d. h. dem mate-
riellen Recht entsprechende Festsetzung des Steuerbetrages, der
Höhe der Steuerschuld. Alle technischen Einrichtungen, die Schät-
zung durch Kommissionen; die öffentliche Auflegung der Steuer-
listen u. dgl. laufen darauf hinaus, Vertrauen in die Richtigkeit
der autoritativen Festsetzung der Steuerschuld einzuflüßen. Nur
das soll@eltung haben, was formell rechtsgültig
festgesetzt ist.
Trotz der weitgehenden Sicherungen ist es möglich, daß die
autoritative Festsetzung der Steuerschuld das materielle Recht ver-
letzt. Die veranlagte Steuer kann gegenüber der dem Gesetze ge-
mäß geschuldeten Steuer zu hoch oder zu nieder sein, oder es
kann überhaupt zu Unrecht eine Steuerschuld angenommen sein.
Wenn auch noch eine Besserung möglich ist, so gilt doch vorerst
die veranlagte Schuld. Sie muß gezahlt werden, ihre Ein-
treibung ist das Ziel einer etwaigen Exekution, sie ist die Grund-
lage der Haftung.
Nicht nur in inhaltlicher, sondern auch in zeitlicher Beziehung
hat das formelle Recht über das materielle Recht den Sieg davon-
getragen. Besonders scharf kommt dies im preußischen EinkStG.
ın der Fassung vom 19. Juni 1906 zum Ausdruck, dessen $ 67
bestimmt: „Die veranlagte Steuer ist in vierteljährlichen Be-
trägen in der ersten Hälfte des zweiten Monats eines jeden Vier-
teljahres an die von der Steuerbehörde zu bezeichnende Emp-
fangsstelle abzuführen.* Auch das österreichische Gesetz vom
9. März 1870 betreffend die Einhebung von Verzugszinsen und die
Einhebung der direkten Steuern überhaupt geht von dem Grund-
satz aus, daß erst die vorgeschriebene Steuer einzuzahlen ist.
Nichts anderes hat das bayrische EinkSt@. vom 14. August 1910
im Sinne, wenn es im Art. 89 sagt: „Die Einkommensteuer wird