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mern, welche Lehren aufstellen, vermöge welcher sie in irgend
einer Beziehung den Gesetzen des Staats keine Folge schuldig
zu sein behaupten und welche infolge solcher Lehren die Erfül-
lung staatsbürgerlicher Verbindlichkeiten beharrlich verweigern“.
Trotz dieser gegen die Sekten gerichteten Tendenz der Ge-
setzgebung erwarben einzelne Religionsgemeinschaften schon in
der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts Korporationsrechte. Diese
Rechte sind durch das Kirchengesetz aufrecht erhalten
worden, nach Massgabe der erteilten besonderen Verwilligungen.
Gleichzeitig wurde in $ 3 die Entstehung von Religionsgemein-
schaften grundsätzlich freigegeben, wenn nur ihr Bekenntnis
und ihre Verfassung den Staatsgesetzen und der Sittlichkeit
nicht widersprechen. Zwar spricht $ 3 des Kirchengesetzes
nur von religiösen Vereinen, allein das Kirchengesetz verstand
unter religiösen Vereinen nur die Religionsgemeinschaften.
„Dass jeder kirchliche Verein Gottesverehrung zum Zwecke hat,
ist zweifellos“®®,. „Die Schranken für die religiösen Vereine seien
allerdings nur in allgemeine Ausdrücke gefasst, es sei ihnen das
Recht der freien Gottesverehrung garantiert; eine Gottesvereh-
rung sei also als Merkmal erforderlich“ ®*.
Ueber die Frage, welche Religionsgemeinschaften im einzelnen
Rechtspersönlichkeit besitzen, spricht sich das Gesetz von 1860 nicht
aus. Rechtspersönlichkeit kann eine religiöse Gemeinschaft bezw.
ein religiöser Verein im Sinne des 8 3 des Gesetzes von 1860 nur auf
gleiche Weise erlangen, wie andere Vereinigungen, nämlich ent-
weder öffentlich - rechtliche Persönlichkeit durch Verleihung auf
Grund des II. Konstitutionsediktes (so die weiter unten aufge-
zählten Religionsgemeinschaften) oder aber Privatrechtsfähigkeit
durch Eintragung in das Vereinsregister nach Massgabe der
SS 21 ff., 61 fi. BGB. Von diesen Bestimmungen ist die wich-
tigste in $61 Abs. 2 BGB. enthalten. Diese Gesetzesvorschrift
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8 Komm.Ber. von v. MoHLı, Ständeverhandl. I. K. Beil. S. 454.
8 LAMAY in den Prot. I. Kamm. zum KG. S. 149.