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Der Fall, der nieht nur den Landsleuten des Kapitäns mensch-
lich nahegegangen ist, hat eine völkerrechtliche und eine landes-
rechtliche Seite.
Die völkerrechtliche Frage lautet: Durfte es eine deutsche
Reehtsnorm geben, kraft deren Kapitän Fryatt zum Tode verurteilt
werden konnte?
Die landesrechtliche Frage lautet: Durfte Kapitän Fryatt nach
den geltenden deutschen Rechtsnormen zum Tode verurteilt werden?
Auch die zweite Frage hat eine völkerrechtliche Beziehung,
insofern die landesrechtlich unzulässige Tötung eines Ausländers
zugleich eine Verletzung des Völkerrechts ist oder doch sein kann.
Aber die völkerrechtliche Beziehung ist hier nur ein unselbständiger
Anhang der landesrechtlichen Frage, während die erste Frage ihre
Antwort unmittelbar aus dem Völkerrechte erhält.
Im folgenden soll nur die zweite Frage, die landesrechtliche
Seite des Falles Fryatt, untersucht werden?.
Il. Das außerordentliche kriegsrechtliche
Verfahren.
Das Feldgericht von Brügge war auf Grund einer bis Kriegs-
ausbruch geheimen Kaiserlichen Verordnung vom 21. August 1900
gebildet worden. Sie ist überschrieben: „Verordnung über das
außerordentliche kriegsrechtliche Verfahren gegen Ausländer und
die Ausübung der Strafgerichtsbarkeit gegen Kriegsgefangene‘,
beginnt mit den Worten: „Ich bestimme auf Grund des $ 3 des
Einführungsgesetzes zur Militärstrafgericbtsordnung:* und ist unter-
zeichnet mit „gez. Wilhelm I. R. — In Vertretung des Reichs-
kanzlers ggez. v. Tirpitz“ Am gleichen Tage ermächtigt der
Kaiser unter Gegenzeichnung v. Tirpitzs „den Reichskanzler
(Reichs-Marineamt)“, die Verordnung „im Falle einer Mobil-
2 Wegen der völkerrechtlichen Seite des Falles vgl. außer der in
voriger Anmerkung erwähnten Entscheidung Fr. W. JERUSALEM, Der Fall
Fryatt (Z. f. Völkerrecht, X, 1917/18, 8. 563 ff.).