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Proklamation nicht sein. Die Proklamation schafft nicht neues
Recht, sondern bringt das geltende Recht in Erinnerung. Zudem
paßt sie nur für den Landkrieg; denn für die Strafbarkeit des
Kapitäns Fryatt ist es völlig gleichgültig, ob deutsche Truppen
in feindliches Gebiet eingerückt waren oder nicht.
Einen besseren Rechtsgrund für die Verurteilung bietet das
Reichsstrafgesetzbuch vom 30. Mai 1870. Nach $ 90 trifft lebens-
längliche Zuchthausstrafe einen Norddeutschen, welcher vorsätzlich
während eines gegen den Norddeutschen Bund ausgebrochenen
Krieges
„2) Schiffe, oder andere Fahrzeuge der Kriegsmarine,
zum Vorteile des Feindes zerstört oder un-
brauchbar macht; “
Der Versuch wird nach $ 44 mit Zuchthaus von 3 bis 15 Jahren
bestraft. Für ausländische Täter trifft $ 91 Bestimmungen:
„Gegen Ausländer ist wegen der in den $$ 87, 89 und
90 bezeichneten Handlungen nach dem Kriegsgebrauche zu
verfahren.“
„Nach dem Kriegsgebrauche verfahren“ heißt auf deutsch: „Bis
zum Erschießen gehen“, auch schon bei versuchter Schädigung,
bei Ergreifen auf frischer Tat ohne weiteres, sonst nach voran-
gegangener Verurteilung. Wäre das Reichsstrafgesetzbuch im
Falle Fryatt die allein maßgebende Rechtsquelle, so würde sich
das Todesurteil unschwer rechtfertigen lassen.
Durch Inkrafttreten des Militärstrafgesetzbuchs vom 20. Juni
1872 hat sich aber die Rechtslage wesentlich geändert. Die in
Betracht kommenden Bestimmungen seien wörtlich angeführt:
8 56.
„Auf eine Person des Soldatenstandes, welche sich eines
Hochverrats oder eines Landesverrats schuldig macht, finden
die Vorschriften des Deutschen Strafgesetzbuches ($5 80--93)
Anwendung.“