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Dauer der Feindseligkeiten keinen Dienst zu übernehmen, der mit
den Kriegsunternehmungen des Feindes in Zusammenhang steht.“
Dennoch scheint Ziff. 99 neutrale und feindliche Schiffe treffen
zu wollen, sonst hätte es doch nahegelegen, den Satz so zu beginnen:
„Ist ein neutrales Schiff usw.“ Der Hinweis auf 16b und 55a
dient wohl nur zur sachlichen Erläuterung der eingeklammerten
Worte.
Es braucht daher nicht näher auf den Inhalt und die Gültig-
keit des ohne Zuziehung des Staatssekretärs des Reichsmarineamts
erlassenen Befehls des Chefs des Admiralstabes der Marine vom
22. Juni 1914 (RGBl. 1914 S. 300) eingegangen zu werden, dem-
zufolge der bewaffnete Widerstand bewaffneter feindlicher Kauf-
fahrteischiffe straflos sein soll. Die Unzulässigkeit feindlicher
Betätigung seitens unbewaffneter feindlicher Handelsschiffe ergibt
schon die Auslegung der Prisenordnung selbst. Und die „Brus-
sels“ des Kapitäns Fryatt ist ein unbewaffnetes Handelsschiff ge-
wesen.
Ziff. 99 der Prisenordnung erklärt also Fryatt zum Frank-
tireur. Ziff. 99 hat aber außerdem noch die Bedeutung einer
selbständigen Strafandrohung. Allerdings wäre die Bestimmung
unzulässig, wenn sie mit einem Reichsgesetze in Widerspruch
stünde, wenn also entgegen unserer oben versuchten Auslegung
Fryatt nach den beiden Strafgesetzbüchern nur mit Zuchthaus
hätte bestraft werden dürfen. Sie wäre dann auch unverbindlich für
den ordentlichen Richter, da der ordentliche Richter Kaiserliche
Verordnungen auf ihre Gültigkeit nachprüfen darf. Aber sie wäre
trotz der Unzulässigkeit verbindlich für das Feldgericht. Denn
das Feldgericht besteht nach $ 7 der Ausländerverordnung nur
aus Offizieren. Es ist aber ausgeschlossen, daß der Kaiser, König
von Preußen, in der Ausländerverordnung seinen Offizieren ein
Prüfungsrecht einräumen wollte, das die Preußische Verfassungs-
urkunde (Art. 106) gegenüber Königlichen Verordnungen selbst
den ordentlichen Gerichten versagt.