Literatur.
Dr. Josef Kohler, o. ö. Professor an der Universität Berlin, Geh. Justizrat,
auswärtigem oder korrespondierendem Mitglied verschiedener Institute
und Gesellschaften. Grundlagen des Völkerrechts. Ver-
gangenheit, Gegenwart, Zukunft. Stuttgart, Verlag von
Ferdinand Enke. 1918. VII u. 250 8. Pr. Mk. 12.—.
Die deutsche Rechtswissenschaft beklagt in dem seither verstorbenen
Verfasser einen Mann von ganz hervorragender Eigenart. Verstand er
doch wie wenige, von den Dingen alsbald eine umfassende Anschauung zu
gewinnen, und diese dann mit Entschlossenheit und mit einem gewissen
Glanz zur Darstellung zu bringen. Daher die große Vielseitigkeit seiner
schriftstellerischen Betätigung und die Selbständigkeit gegenüber der
literarischen Welt, die ihn umgibt. So auch dieses sein letztes Werk.
Es bedient sich in seinen sieben Büchern wieder mancher selbst ge-
prägten Terminologie und der einzige zeitgenössische Autor, auf welchen
die Fußnoten verweisen, ist gewöhnlich er selbst. Vor allem aber bewährt
sich die Eigenartigkeit in der Wahl des Grundgedankens, auf welchen das
Völkerrecht gestellt sein soll: es beruht auf den Forderungen der Kultur,
ist „Kulturrecht* d.h. „modernes Naturrecht“ (S. 3).
Dieser Art war das Naturrecht des Thomas von Aquin und der andern
Scholastiker, namentlich der alten Spanier, Suarez, Molina, Soto, auf welche
nachher gern zurückverwiesen wird. „Diese ganze großartige naturrecht-
liche Entwicklung hat einen tödlichen Stoß erfahren durch die holländi-
schen Kalvinisten, namentlich durch Hugo Grotius.“ Die Erstarrung und
Entartung beginnt, bis schließlich Hegel der ganzen Auffassungsweise „den
Todesstoß versetzte“ (S. 4). Aber aus dessen Intellektualismus ergibt sich
doch wieder die Forderung eines Naturrechts, eines solchen nämlich, das
eich veränderlich der jeweiligen Kultur anschließt. „Ein Völkerrecht in
diesem Sinne suchten die alten Völkerrechtslehrer zu gestalten, ein Victoria,
wie ein Molina.“ Also die Wissenschaft muß umkehren: „Ein derartiges
Völkerrecht müssen wir schaffen und die Ideen hierzu sollen in diesem
Werke gegeben werden“ (S. 5).