Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 39 (39)

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Das gemeine deutsche Staats- und Verwaltungsrecht vor dem 
Weltkriege kannte in aller Regel nur drei Anwendungsfälle von 
allgemeinen Delegationen größeren Umfanges: Das Notverord- 
nungsrecht, das Ausführungsverordnungsrecht und das Recht zum 
Erlaß von Polizei- und Polizeistrafverordnungen. Hiervon waren 
die beiden ersten durchaus im Gedankengange des Rechtsstaats 
gelegen, insofern das Notverordnungsrecht nur eine an besondere 
Voraussetzungen ünd Sicherungen gebundene bewußte und ge- 
wollte Durchbrechung des Rechtsstaatssystems für Notstandsfälle 
bedeutete, während das Ausführungsverordnungsrecht durch die 
ihm innewohnende Beschränkung auf Rechtssätze, die den Ge- 
danken eines Gesetzes fort- und zu Ende denken, ohne selbst 
neue Gedanken einzuführen — hinreichende Gewähr dafür bot, 
daß die führende Stellung des Gesetzes gewahrt blieb. Anders 
lag es schon mit dem Polizeiverordnungsrecht. Hier ist die 
dem Rechtsstaatsideal zuwiderlaufende Wirkung einer solchen 
allgemeinen Delegation zum Erlaß vor allem von Strafrechtssätzen 
stets empfunden worden, und Wissenschaft wie Praxis haben sich 
in mannigfacher Weise bemüht, die dem ganzen Rechtsstaatsge- 
danken so bedrohliche Polizeigewalt einzudämmen; bekannt ist, 
wie die auf Wahrung der Rechtsstaatsidee besonders bedachten 
süddeutschen Staaten für den Erlaß der Polizeistrafverordnungen 
im Gegensatz zu dem in Norddeutschland herrschenden System 
der generellen Delegation das System der speziellen Delegation 
ın ihren Polizeistrafgesetzbüchern durchgeführt haben. 
Der Krieg, der mit seiner ungeheuren Anspannung des Staats- 
gedankens eine Umbildung der Staatsverfassung zu einer mehr 
absolutistisch-zentralistischen Gestaltung herbeiführte, hat auch 
für Rechtssätze und Eingriffe die Rechtslage gänzlich verändert. 
Nicht nur daß durch die dauernde Verhängung des Kriegs- 
bzw. Belagerungszustandes ein besonderes _Befehls- und Ver- 
ordnungsrecht der militärischen Befehlshaber neben die Reichs- 
wie Landesgesetzgebung getreten ist; der Reichsgesetzgeber hat 
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