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Delegiertentag der Frontsoldaten in Ems und viele andere Stellen,
vor allem aber das ganze Bürgertum, erklärten sich für Wahl und
Einberufung einer konstituierenden Nationalversammlung, die die
revolutionären Gewalten legitimieren, eine provisorische und schließ-
lich eine definitive Verfassung für Deutschland beschließen sollte.
Die von den Vertretern der sozialen Revolution als Träger der
Reichsgewalt gedachte Reichsversammlung on Delegierten der
Arbeiter- und Soldatenräte ganz Deutschlands schlug sich im De-
zember 1918 selbst auf diese Seite, indem sie die Räte und ihren
dauernden Ausschuß, den neugewählten Zentralrat, als Repräsen-
tanten des Volkswillens nur bis zum Zusammentritt der National-
versammlung gelten ließ, der baldmöglichst erfolgen sollte.
So kam es am 19. Januar 1919 zur Wahl der Nationalver-
versammlung auf Grund der am 30. November 1918 vom Rate
der Volksbeauftragten unter Gegenzeichnung des Staatssekretärs
des Innern erlassenen Verordnung über die Wahlen zur verfassung-
gebenden deutschen Nationalversammlung, des sogenannten Reichs-
wahlgesetzes. Am 5. Februar trat die Nationalversammlung zu-
sammen und erließ schon unter dem 10. Februar 1919 das Gesetz
über die vorläufige Reichsgewalt, eine Notverfassung, die an Stelle
der revolutionär-absolutistischen Gewalten provisorische verfassungs-
mäßige Staatsorgane in Gestalt der Nationalversammlung, des
Staatenausschusses und des Reichspräsidenten treten ließ.
Die Gesetzgebung wird von der Verwaltung getrennt und
als vorläufige Form für die Reichsgesetzgebung — abgesehen von
dem Beschluß über die definitive Verfassung, der der National-
versammlung vorbehalten bleibt, — die Uebereinstimmung zwischen
der Nationalversammlung und dem Staatenausschusse festgelegt.
Ist eine solche Uebereinstimmung nicht zu erreichen, so kann der
Reichspräsident die Entscheidung durch eine Volksabstimmung
herbeiführen ($ 4 Abs. 2 des Gesetzes über die vorläufige Reichs-
gewalt).
Damit tritt das Deutsche Reich wieder unter die Regeln des