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Verfassungs- und Rechtsstaates mit seiner Herrschaft des Gesetzes.
Aufstellung von Rechtssätzen und Eingriffe in Freiheit oder Eigen-
tum sollen nicht mehr durch revolutionäre „Erlasse“ und „Verord-
nungen“ erfolgen, sondern wieder als Gesetz oder wenigstens auf
gesetzlicher Grundlage ergehen. Das gilt vom 10. Februar 1919
ab unstreitig für die Zukunft.
Was sollte aber für die Vergangenheit gelten? Hier mußten
die neuen gesetzgebenden Organe die Frage klären, wie sich die
deutsche Republik zu den Gesetzen und Verordnungen des Kaiser-
reiches stellen wollte und vor allem, wie weit die seit der Revo-
lution im November 1918 bis zum 10. Februar 1919 ergangenen
Akte der absoluten Revolutionsregierung, des Rates der Volks-
beauftragten und seiner nachgeordneten Stellen, legitimiert werden
sollten. Beide Aufgaben wurden durch das am 3. März 1919 von
der Nationalversammlung mit Zustimmung des Staatenausschusses
beschlossene, vom Reichspräsidenten am 7. März 1919 verkündete
Uebergangsgesetz gelöst.
Den Gesetzen und Verordnungen des Kaiserreiches gegenüber
nimmt das Uebergangsgesetz, wie nicht anders zu erwarten war,
in Uebereinstimmung mit der oben behandelten Verordnung vom
28. Dezember 1918 den Standpunkt ein, daß sie bis auf weiteres
in Kraft bleiben, soweit nur nicht das Gesetz über die vorläufige
Reichsgewalt und das Uebergangsgesetz selbst entgegenstehen.
Schwieriger lag die Sache bei den absolutistischen Erlassen
der Revolutionsregierung. Die Situation der neuen gesetzgebenden
Organe war hier in gewissem Grade ähnlich jener Situation, in
der sich die neu geschaffenen konstitutionellen Staatsorgane bei
Einführung der Verfassung im 19. Jahrhundert befanden. Auch
damals lösten die. neuen Verfassungen in den meisten deutschen
Einzelstaaten eine Periode des Absolutismus, der absoluten Mon-
archie des Polizeistaates, ab, und es iragte sich, wie der neue
Verfassungs- und Rechtsstaat sich zu den Erlassen, Mandaten.
Edikten, Reskripten, Gesetzen usw. des absoluten Polizeistaates