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derselben erlassen werden, Gehorsam zu leisten, und im übrigen
wegen der Grenzen dieser Gehorsamspflicht und wegen der Be-
dingungen gesetzlich erlaubten Widerstands auf das Reichsstraf-
gesetzbuch verwies. In Wirklichkeit steckte noch etwas mehr in
dieser Bestimmung. Sie gab der alten Auffassung von der ver-
tragsmäßigen Grundlage der Staatsgewalt Ausdruck und war daher
die Fundierung eines allgemeinen Widerstandsrechts im Fall eines
Verfassungsbruchs.. Der Zusammenhang soleher Gedanken einer-
seits mit positiv-rechtlichen Bestimmungen in alten ständischen
Verbriefungen in England, Ungarn, Polen, auch in einzelnen deut-
schen Territorien, die für den Fall des Verfassungsbruches durch
den Fürsten dem Volk ausdrücklich ein Widerstandrecht zusprachen,
andererseits mit naturrechtlichen Ideen ist neuerdings in eindringen-
der Untersuchung aufgezeigt worden von WOLZENDORFF in seinenı
Buch über Staatsrecht und Naturrecht in der Lehre vom Wider-
standsrecht des Volkes (1917). Mehr noch als durch solche
wissenschaftliche Forschungen sind durch die Umwälzung von
1918, die uns den Blick für die Grundlagen aller staatlichen Herr-
schaft von neuem geschärft und die auch mit einem Schlag das
längst totgesagte Naturrecht als noch lebende Macht erwiesen
hat, Bestimmungen von dieser Art unserem Verständnis wieder
näher gebracht worden. Sie stellen eine Schranke der Staatsge-
walt dar, die sozusagen über die Rechtsordnung hinausragt und
die wir deshalb in der Zeit, da alles Recht uns nur vom Staat zu
kommen schien, nicht mehr recht verstehen konnten.
Welche Schlußfolgerungen aus der Lehre vom verfassungs-
mäßigen Gehorsam gezogen worden sind, das zeigt uns am besten
ein seinerzeit berühmt gewordenes Gutachten der Tübinger Juri-
stenfakultät vom Jahr 1839 zum hannoverischen Verfassungsstreit.
Die Stadt Osnabrück hatte im Jahr 1338 wegen einseitiger Auf-
hebung der hannoverschen Verfassung von 1833 durch den
neuen König Ernst August nach verschiedenen fruchtlosen Vor-
stellungen, unter anderem auch beim deutschen Bund, von den