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Juristenfakultäten Heidelberg, Jena und Tübingen Rechtsgutachten
darüber erbeten, ob sie noch weiter die nach der aufgehobenen
Verfassung ihr obliegende Pflicht zur Beitreibung staatlicher
Steuern erfüllen solle und überhaupt dürfe, ob sie sich nicht da-
mit einer rechtswidrigen, eventl. zum Schadenersatz verpflichten-
den Handlung schuldig machen würde. Die hierüber ergangenen
Gutachten stimmten alle 3 darin überein, daß die hannoversche
Verfassung von 1833 noch zu Recht bestehe und daß jenes sie
einseitig aufhebende Patent vom 1. November 1837 einen Rechts-
bruch darstelle. Aber nur das Tübinger Gutachten zog weiter
daraus die Schlußfolgerung, daß in der Tat infolgedessen für die
hannoverschen städtischen Behörden ein Steuerverweigerungsrecht
gegeben sei, wenn die geforderten Steuern nicht vom rechtmäßigen
Landtag bewilligt würden. Der König von Hannover habe, so
wird hier gesagt, durch Aufhebung der Verfassung streng ge-
nommen seine Untertanen aller Pflichten gegen ihn entbunden, und
so komme nun das allgemeine Widerstandsrecht gegenüber ver-
fassungswidrigen Befehlen der Obrigkeit zur Geltung, das die
Kehrseite des nicht unbedingten, sondern eben nur verfassungs-
mäßigen Gehorsams sei, der sich von selbst verstehe, auch wenn
er, wie in Hannover, nicht ausdrücklich in der Verfassung fest-
gelegt sei. Das Tübinger Gutachten verwendet dabei große Sorg-
falt darauf, mißbräuchlicher Ausdehnung dieses Widerstandsrechts,
das es wirklich nur für die äußersten Fälle zuerkennen will, vor-
zubeugen; nur bei Vorstoß gegen die Verfassung oder offenbare
Gesetze, nicht etwa bei jeder Art von Rechtswidrigkeit obrigkeit-
licher Befehle sollte es gegeben sein, und auch dann nur, wenn
ein unersetzliches oder doch wahrscheinlich unwiderbringliches
Recht für den Widerstehenden bedroht sei und nur, wenn alle
andern Mittel versagt hätten. Aber immerhin wurde mit diesen
Maßgaben das Recht passiver Resistenz bejaht und selbst ein
Recht aktiver Auflehnung gegen die Obrigkeit für extreme Fälle
wenigstens hypothetisch zugesprochen — eine Auffassung, die
Archiv des öffentlichen Rechts. XXXIX. 3, 25