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in jener Zeit der Reaktion unter dem deutschen Bund gewaltiges
Aufsehen erregen mußte.
DAHLMANN, der bekannte Historiker, welcher die drei Gut-
achten gesammelt herausgegeben hat (Jena 1839), nennt dieses
Tübinger Gutachten ein Meisterwerk von dauerndem staatsrecht-
lichem Wert. Hiebei ist allerdings in Betracht zu ziehen, daß es
ihm um seines Ergebnisses willen sehr gelegen kam; war er doch
einer der Göttinger Sieben, welche gegen den Verfassungsbruch
Ernst Augusts protestiert hatten. Doch ist auch von anderer
Seite anerkannt worden, daß es durch Gründlicnkeit und Selb-
ständigkeit über die beiden andern hervorragte und daß es große
Bedeutung für die Auffassung von der Staatsgewalt in allen
konstitutionellen deutschen Bundesstaaten hatte. Mit seiner Grund-
auffassung stellt dieses Gutachten, hinter dem wir wohl in erster
Linie den Einfluß ROBERT MOHLs suchen müssen’, in Wirklich-
keit ein Dokument spezifisch württembergischer Staatsauffassung,
wie wohl auf nichtwürttembergische Verhältnisse angewandt, dar.
MOHL hat dieser Auffassung auch in seinem württembergischen
Staatsrecht und in seinen sonstigen Schriften Ausdruck verliehen
— ohne freilich mit ihr in jener Zeit durchdringen zu können;
” Obwohl die von ihm literarisch vertretene Auffassung vom Wider-
standsrecht in dem Gutachten einmal (S. 235) als zu weit gehend abge-
wiesen wird.
s MoHL, württ. Staater., 2. Aufl, 1840 I 323 ff. — Das Heidelberger
und Jenaer Gutachten, die das Widerstandsrecht verneinten, gaben
damit ohne Zweifel der in Deutschland damals überwiegenden Rechts-
überzeugung Ausdruck, vgl. WOLZENDORFF a. a. OÖ. S. 451 ff. In Ab-
weichung von dem Standpunkt der Tübinger Fakultät legen sie
ziemlich übereinstimmend entscheidenden Wert darauf, daß untere Be-
hörden die in gehöriger Form erlassenen Befehle vorgesetzter Behörden
unter allen Umständen zu befolgen haben, weil die letzteren dafür allein
die Verantwortung tragen und weiter daß der einzelne Untertan — und
um so mehr eine Behörde — doch niemals den Gehorsam der Regierung
in einer Weise verweigern dürfe, welche schließlich, wie dies bei der
Steuerverweigerung der Fall, die Regierung in ihrer ganzen Tätigkeit
lahmlegen müßte (bei DAHLMANN S. 50 ff., 89 ff... Es ist offenbar, daß,