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Aber der Regierung in Württemberg hielt eben ein starkes
Gegengewicht der Landtag und außerdem fehlte ihr zur Durch-
führung eines wirklich reaktionären Kurses auch der dafür ge-
eignete Verwaltungsapparat. Denn mit am schärfsten hat der
demokratische Charakter dieses Staatswesens seinen Ausdruck
darin gefunden, daß die Behörden der inneren Verwaltung in ihm
immer nur sehr «geringe Macht gehabt haben. Die kleinen
Bezirke, die gänzliche Ausscheidung der Steuerverwaltung (deren
Wahrnehmung. wie Preußen lehrt, den inneren Verwaltungsbe-
hörden erheblichen Machtzuwachs bringt), das Bestehen eines gut
ausgebildeten, sich unabhängig fühlenden Schreiberstandes, der
einen in den Zeiten des Ständestaates errungenen Einfluß zum
großen Teil aufrecht zu erhalten wußte, und endlich die Selb-
ständigkeit der Gemeindeverwaltungen, die immer bewahrt blieb.
diese Umstände haben bewirkt, daß der Leiter der staatlichen Be-
zirksverwaltung, der Oberamtmann, nie so viel Macht besaß, um
ein politisch gefährliches Werkzeug in der Hand der Regierung
werden zu können, während dies von der Verwaltung Bayerns
und selbst derjenigen Badens nicht ebenso entschieden gesagt
werden kann.
Damit hängt es zusammen, daß das württembergische Be-
amtenrecht eine Einrichtung überhaupt nicht kannte, die in Preußen
eine große Rolle spielte und von dort aus auch in Bayern und
Baden und in anderen Mittelstaaten Eingang gefunden hat: die
Erhebung des Konflikts. In Preußen hat bei dem scharfen
Kampf zwischen Publikum und Verwaltung die zivilrechtliche Be-
langung von Beamten wegen Schadenstiftung durch Ueberschrei-
tung ihrer Amtsbefugnisse von jeher eine große Rojle gespielt.
Dort war daher auch das Bedürfnis empfunden worden, den Zivil-
gerichten die Entscheidung der Vorfrage zu entziehen, ob dem
Beamten eine Ueberschreitung seiner Amtsbefugnisse zu Last falle.
Diese Vorfrage wurde durch das Gesetz von 1854 dem Gerichts-
hof zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte übertragen ; an seine