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von der Atlaslast befreit, die Möglichkeit, ja Notwendigkeit einer
zweiten ebenbürtigen Type des Bundesstaates nachweisen zu müs-
sen. Jetzt erst, mit der „Souveränität“ des deutschen Volkes „in
der Gesamtheit seiner Bürger“ ergab sich, um in der Sprache
MAYERs zu reden, von selbst der „neue Souverän, der die alten
(gliedstaatlichen) verschlingt oder nur so viel von ihnen übrig
läßt, als ihm beliebt“? Der erst neuestens wieder beschworene
„einheitliche lebendige Souverän, als welcher nun gewappnet empor-
steigt das deutsche Gesamtvolk“*!?. Jetzt erst konnte das bishin nie
ausgeschöpfte Ethos der nationalen Reichsgründung gehoben und
nachgeholt werden, um in die schmiegsamere Kleidung des republi-
kanischen Bundesstaats hinein zu finden und es war nichts weni-
ger als mechanische Nachahmung ausländischer Muster oder dok-
trinäre Uebertreibung des Einheitsgedankens, daß nunmehr dem
Reiche nicht mehr gepanzerte Staaten, sondern umgänglichere,
lenksamere Länder gegenüberstehen. Davon zeugt die schon er-
wähnte Regierungsdenkschrift mit dem monumentalen Bekenntnis
zur deutschen Nation als einer geschichtlich gegebenen politischen
Einheit, die sich in der deutschen demokratischen itepublik ihre
politische Lebensform gestalten soll.
Um so eigenartigere, bodenständigere Gedankenarbeit konnte
jetzt auf die Folgerungen verwendet werden und es ist nicht zu
leugnen, daß hier viel Kunst und Findigkeit am Werke war, um
den jeweiligen Ausgleich zwischen dem Reich und den Ländern
zu finden, diesen merkwürdig herabgedrückten politischen Lebe-
wesen, welche nicht einmal einen völlig eindeutigen Namen führen
und auf ihre eigene Staatlichkeit doch nicht in jeder Textzeile
verzichtet haben. Zumeist unterliegt es freilich keinem Zweifel,
daß die Länder doch nur eine bescheidenere Umschreibung und
Abschwächung des früher auf sie angewendeten strengeren Staats-
®sA. a. O. S. 351 als „Eigentümlichkeit“ dieses republikanischen
Souyeräns, „welche ihm ein monarchischer nicht nachmachen kann.“
(hurisiche Wochenschrift, 48. Jahrgang 8. 209f.: „Zur vorläufigen
Reichsverfassung“.
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