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schriften, die sich — ohne daß es immer ausdrücklich gesagt und
erklärt wäre — in der Hauptsache doch wieder an die Landes-
gesetzgebunz wenden. Wo immer typische Rechtssätze, welche
die Verhältnisse des Einzelnen oder der Religionen, ferner der Bil-
dung und Schule zum Staate betreffen, aus ihrem Erdreiche gerissen
wurden, um in die Reichsverfassung verpflanzt zu werden, tauchen
immer wieder der Staatsbürger und der Staat hervor, um doch
— wenigstens in erster Linie — auf das Land hinzuweisen. Be-
zeichnenderweise bedürfen z. B. private Schulen als Ersatz für
öffentliche Schulen der Genehmigung des Staates und unterstehen den
Landesgesetzen (Art. 147)*. Ebenso werden nach Art. 138 Staats-
leistungen an die Religionsgesellschaften durch die Landesgesetz-
gebung abgelöst. Die Grundsätze dafür stellt wieder das Reich
auf. Wenigstens zum Teil gehören auch Rechtssätze über das
Wirtschaftsleben von neuester Prägung hieher, wie Art. 155, der
alle Bodenschätze und alle wirtschaftlich nutzbaren Naturkräfte
unter Aufsicht des Staates stellt und private Regale im Wege
der Gesetzgebung auf den Staat überführen will. was wohl an
erster Stelle an die Adresse der Länder geht.
Doch bewirkt anderseits schon die bloße Ueberstellung ge-
wisser' grundrechtlich abgefaßter Rechtsgedanken in die Reichs-
verfassung eine entsprechende Ausweitung des Staatsbegriffs zu
höherer Einheit. Wenn Art. 133 alle Staatsbürger verpflichtet,
nach Maßgabe der Gesetze persönliche Dienste für den Staat und
die Gemeinde zu leisten und im Zusammenhange damit die Re-
gelung der Wehrpflicht einem Reichswehrgesetz vorbehält, so muß
auch das Reich mitverstanden sein und der Staatsbegriff gewinnt
damit wieder ungefähr jene umfassendere einheitliche Bedeutung,
die etwa dem der „Staatsgewalt“ im Art. 5 entspricht. Im selben
°$ Sprachliche Gegenstücke im Art. 94 u. 96, wo Landesverteidigung
Reichsverteidigung bedeutet, ferner alle Artikel über den Staatsgerichtshof
für das Deutsche Reich, der nur als Reichsstelle in Betracht kommt, obwohl
sich auch in den Ländern „Staatsgerichtshöfe“ denken ließen, oder Art. 148,
wo „Staatsbürgerkunde“ nur den weitesten Sinn haben kann.