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Die Elastizität des Staatsbegriffs, der Reich oder Land, aber
auch Reich und Land bedeuten kann, aber nicht muß, hat wieder
anderen Bestimmungen eine gewisse Beweglichkeit gegeben, die
zu verschiedenen Zeiten oder unter verschiedenen Begleitumstän-
den auch verschiedene Lesarten ermöglicht. Wenn nach Art..155.
Abs. 1, die Verteilung und Nutzung des Bodens von Staats wegen
in einer Weise überwacht werden soll, die Mißbrauch verhütet
usw., so erhält hier augenscheinlich vor allem das Land als Staat
eine grundsätzliche Vorschrift; doch schwingt auch der Gedanke
an das Reich mit, das doch auch durch seine Regierung die Auf-
sicht führt, soweit seine — hier aus Art. 10, Pkt. 4, fließende
grundsätzliche — Gesetzgebung reicht. Zum andern Teile gehört
noch Abs, 4 des Art. 155 hieher, wenigstens soweit die Staats-
aufsicht über alle Bodenschätze und alle wirtschaftlich nutzbaren
Naturkräfte jeden Augenblick auf das Reich übergehen kann,
wenn sich dieses der durch die Verfassung gebotenen Mittel, wie
Enteignung, Vergesellschaftung usw., bedient, um die Sache selbst
ın die Hand zu nehmen. Ob aber nicht schon daraus, daß die
Aufsicht des Staates durch Verfassungsrechtssatz angerufen wird,
Reichsaufsicht oder zum mindesten „Oberaufsicht“ folgt, soll hier
nicht weiter untersucht werden. Offenkundigen Doppelsinn mit
dem Worte „Staat“ treibt Art. 154, Abs. 2, durch die Bestimmung,
daß der Anteil des Staats am Erbgut sich nach den Gesetzen
bestimmt. Schon die Unbestimmtheit dieses Anteils, der wohl die
dem Reiche zukommende und schwerlich wieder zu entziehende
Erbschaftssteuer mitumfaßt, und der kaum unbeabsichtigte Mangel
einer Unterscheidung zwischen Reichs- und Landesgesetzgebung
deuten darauf hin, daß der Rechtssatz gleichzeitig Reich und
Länder ins Auge faßt. Nach dem Mitberichterstatter des Ver-
fassungsausschusses Düringer, der nieht weiter unterscheidet, wird
damit schlechthin die „verfassungsrechtliche Grundlage für eine
Erbschaftssteuer geschaffen, die über den bisherigen Begriff der
Besteuerung hinausgehend, den Staat materiell zum Miterben be-