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kannte des Staates einzustellen, ohne weiter zu differenzieren. Es
wurde so möglich, Rechtsgedanken festzuhalten, ohne noch einen
Ueberblick über ihre nähere Gestaltung gewonnen zu haben und
ohne erst den festen Unterbau, den sie benötigen, abzuwarten.
Unter der Schwierigkeit der Auseinandersetzung zwischen Reich
und Land sollte nicht zu leiden haben, was im Grundsatze davon
unabhängig ist und außer Frage gestellt werden konnte. Darum
ist jetzt mehr als je zuvor vom Staate die Rede®, obwohl die
Länder gar nicht mehr so heißen und das Reich, das nun seiner-
seits auf den Anruf hört, noch nicht alles verschlungen haben
kann. Von Rechtssätzen wird man freilich in den meisten Fällen
schon aus diesem Grunde nicht sprechen können. Schon deshalb
bleibt das Meiste bestenfalls und nicht bloß hier allein Rohmate-
rial, das noch von der vollen Ausprägung ziemlich ferne hält
und, so wie es ist, eher für die bundesstaatliche Stellung der äußer-
lich entstaatlichten Länder gewertet werden mag.
Die stärkeren Stützen der Sonderstaatlichkeit werden aller-
dings zumeist in den handgreiflichen Anteilen am Reichsregiment
gesucht, welche ihrerseits an die älteren stärkeren Handhaben
anknüpfen, sie fortsetzen und sogar vermehren.
Zwar ist das starke Bollwerk nicht mehr, das die Gliedstaaten
am Bundesrate gefunden hatten, als den stärksten Ausdruck ihrer
Sonderstaatlichkeit. Doch ist an seine Stelle, wie dies ANSCHÜTZ mit
bemerkenswerter Begründung längst vorausgesehen hatte, schließlich
doch das gewiß schwächlichere, aber wesensverwandte Gebilde des
Reichsrates getreten, zur Vertretung der deutschen Länder nicht
nur bei der Gesetzgebung, sondern auch bei der Verwaltung.
Also, wie es ASISCHÜTZ nennt und des näheren ausführt, das
® Auch STIER-SOMLO, Die Verfassung des deutschen Reiches vom 11. Aug.
1919. Ein systematischer Ueberblick 1919, S. 81 weist an Hand besproche-
ner Belegstellen darauf hin, aber anscheinend ausschließlich als Grund für
die Staatsnatur der „Länder“, weil er den Gebrauch des Namens „Staat*
nur als beabsichtigten Gegensatz zu „Reich“ verzeichnet, wodurch aber die
nunmehrige schillernde Mehrfarbigkeit des Wortes verloren geht.