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Bundesratssystem!". Nur ist jetzt, wie bereits angedeutet, auf
die Eigenheit der preußischen Provinzialverwaltungen Rücksicht
genommen (Art. 63), anderseits fehlen diesem Reichsrate frei-
lich besonders wichtige Privilegien des früheren Bundesrates, die
im Kampfe um die Parlamentarisierung der einstigen Reichsleitung
eine so erhebliche Rolle spielen sollten und wenigstens zuletzt
grobe Fehler im Zuschnitt der Reichsverfassung bedeutet hatten.
Dem. Reichsrat mangelt das vom alten Bundesrate so zäh be-
hauptete und erst ganz zuletzt — in zwölfter Stunde — mit den
Stellvertretern des Reichskanzlers geteilte Vorrecht der einzelnen
Bundesratsmitglieder, den Standpunkt ihrer Regierung im Reichs-
tage zu .vertreten und jederzeit gehört zu werden; dieses Um und
Auf einer Regierung, die der alte Bundesrat sein sollte, fände
im neuen Reielhsrat keinen Grund. Ihm fehlt ferner der wich-
tigste föderative Schutz durch die berühmte Inkompatibilitätsnorm
des Art.9,_zweiter Satz, der früheren Reichsverfassung, welche
jetzt gleichfalls den Boden verloren hatte und um so leichter preis-
gegeben werden konnte. Doch sind jetzt die Länder, wie man
einwenden könnte, für den ersten Verlust schlecht und recht durch
die Berechtigung schadlos gehalten, in die Sitzungen des Reichs-
tages und seiner Ausschüsse „Bevollmächtigte zu entsenden, die
den Standpunkt ihrer Regierung zu dem Gegenstand der Ver-
handlung darlegen“ (Art. 33, Abs. 2).
Ob diese Befugnis der älteren bundesrätlichen wirklich gleich-
wertig oder auch nur vergleichbar ist, in welchem Falle allein
daraus Material für die Sonderstaatlichkeit der Länder zu gewin-
nen wäre, ist zunächst aus der weitläufigen Entstehungsgeschichte
zu beurteilen. Sie führt zu den verklungenen Kämpfen um den
Parlamentarismus des Kaiserreiches zurück, aus denen dann die
Oktoberreform von 1918 den zweifelhaften Ausweg fand, das ur-
sprüngliehe Monopol der früheren Bundesratsmitglieder zugunsten
der aus dem Reichstag hervorgegangenen und in ihm verbliebenen
ap JZ, 1919, S. 118 f. und 203.