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hild die Gleichordnung dieser beiden Organe anzudeuten. Zu
dieser Gleichheit bekennt sich auch, wie nicht anders zu erwarten
war, mit lauten Worten die Denkschrift. In schöner, folgerich-
tiger Ausführung des Gedankengangs wird dieses Vertrauensver-
hältnis besonders geschützt durch die paradoxe Möglichkeit, den
Erwählten des gesamten Volkes durch dessen Gesamtheit absetzen
zu lassen, so daß bis zu diesem Akte kühner Phantasie — rich-
tiger nur bis zum Absetzungsbeschlusse des Reichstags — die
Vermutung für die Fortdauer des Vertrauens spricht und ständige
politische Wechselbeziehungen herstellt, die — der Kreis könnte
gar nicht schöner geschlossen sein — dazu verwertet sind, dem
Reichspräsidenten bei wichtigen Konflikten zwischen Reichstag
und Reichsrat die Initiative zur Anrufung des Volksentscheides
anzuvertrauen. Der oberste Vertrauensmann der Volksgesamtheit
soll in solchen Fällen (Art. 74) selbst zu entscheiden haben, ob
nicht die Entscheidung unmittelbar in die Hände seines Auftrag-
gebers zu legen ist, mit Ausnahme von Verfassungsänderungen,
wo offenbar föderalistische Rücksichten auch der Initiative des
Reichsrats Raum geben (Art. 76)1%. Selbst die Auflösung des Hauses
ist jetzt als allgemeinste Form des Volksentscheides gedacht. Sie
wird in der Denkschrift der Regierung in Parallele gesetzt und
soll durch den Volksentscheid über ein einzelnes Gesetz erspart
werden. Gewiß an sich ein fein ausgeklügelter Gedanke, dem
die nüchterne frostige politische Wirklichkeit nichts von seiner
technischen Schönheit rauben kann, so zweifelhaft auch die Er-
sparnis sein muß, weil die Alternative regelmäßig einen hoch-
politischen Hintergrund voraussetzt.
Allein was hilft alle, sicher nicht zu unterschätzende Ver-
edlung amerikanischen Einfuhrguts, wenn anderseits die zweite
Hauptabsicht, dem Reichstage eine beherrschende Stellung zu
sichern, das Konzept verdarb, so daß sich bereits im Verfahren
über die Absetzung, so unwirklich sie gedacht sein mag, der
16 Zutreffend PorTzscH, Handausgabe S. 88.
Archıv des oflentlichen Rechts, XXXIX. 4 97