Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 39 (39)

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hild die Gleichordnung dieser beiden Organe anzudeuten. Zu 
dieser Gleichheit bekennt sich auch, wie nicht anders zu erwarten 
war, mit lauten Worten die Denkschrift. In schöner, folgerich- 
tiger Ausführung des Gedankengangs wird dieses Vertrauensver- 
hältnis besonders geschützt durch die paradoxe Möglichkeit, den 
Erwählten des gesamten Volkes durch dessen Gesamtheit absetzen 
zu lassen, so daß bis zu diesem Akte kühner Phantasie — rich- 
tiger nur bis zum Absetzungsbeschlusse des Reichstags — die 
Vermutung für die Fortdauer des Vertrauens spricht und ständige 
politische Wechselbeziehungen herstellt, die — der Kreis könnte 
gar nicht schöner geschlossen sein — dazu verwertet sind, dem 
Reichspräsidenten bei wichtigen Konflikten zwischen Reichstag 
und Reichsrat die Initiative zur Anrufung des Volksentscheides 
anzuvertrauen. Der oberste Vertrauensmann der Volksgesamtheit 
soll in solchen Fällen (Art. 74) selbst zu entscheiden haben, ob 
nicht die Entscheidung unmittelbar in die Hände seines Auftrag- 
gebers zu legen ist, mit Ausnahme von Verfassungsänderungen, 
wo offenbar föderalistische Rücksichten auch der Initiative des 
Reichsrats Raum geben (Art. 76)1%. Selbst die Auflösung des Hauses 
ist jetzt als allgemeinste Form des Volksentscheides gedacht. Sie 
wird in der Denkschrift der Regierung in Parallele gesetzt und 
soll durch den Volksentscheid über ein einzelnes Gesetz erspart 
werden. Gewiß an sich ein fein ausgeklügelter Gedanke, dem 
die nüchterne frostige politische Wirklichkeit nichts von seiner 
technischen Schönheit rauben kann, so zweifelhaft auch die Er- 
sparnis sein muß, weil die Alternative regelmäßig einen hoch- 
politischen Hintergrund voraussetzt. 
Allein was hilft alle, sicher nicht zu unterschätzende Ver- 
edlung amerikanischen Einfuhrguts, wenn anderseits die zweite 
Hauptabsicht, dem Reichstage eine beherrschende Stellung zu 
sichern, das Konzept verdarb, so daß sich bereits im Verfahren 
über die Absetzung, so unwirklich sie gedacht sein mag, der 
16 Zutreffend PorTzscH, Handausgabe S. 88. 
Archıv des oflentlichen Rechts, XXXIX. 4 97
	        
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