Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 39 (39)

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nicht hinwegzukommen vermochte! Was ANSCHÜTZ später unter 
dem Eindrucke der Denkschrift davon abbrachte, die plebiszitäre 
Präsidentschaft mit der unbedingt zu erstrebenden und in ihrer 
Wirksamkeit zu sichernden parlamentarischen Regierungsform für 
unvereinbar zu halten 1, spricht nur die leidige Sonderrücksicht 
aus, die zwei Wünsche zu Eltern eines schiefen Gedankens machte. 
Die volle Unabhängigkeit des ganzen Regierungsapparates vom 
Parlamente war im Deutschen Reiche durch die Macht der Ueber- 
lieferung und wohl auch der Tatsachen ausgeschlossen. Der 
deutsche Reichspräsident konnte seine Geschäfte nur durch eine 
verantwortliche Reichsregierung führen. Soweit dieses Postulat 
in Frage kam, — es war mit der Frage der Reichstagsherrschaft 
gleichbedeutend — mußte jede andere Rücksicht zurückstehen. 
Jede strengere Gewaltentrennung hatte der obrigkeitliche Verfas- 
sungsstaat zu verdächtig gemacht. Eine Drachensaat von Miß- 
trauen war zurückgeblieben, welche zeigt, daß der Anwert einer 
solchen Gewaltentrennung in Deutschland nicht größer ist als im 
Heimatlande MONTESQUIEUs. Doch wollte und konnte man auch 
die Volkswahl nicht aufgeben als Stärkung des Präsidenten und 
als Folge des Einkammersystems. Somit war alles Herrschaftlich- 
Autoritäre, das man dem Reichspräsidenten — zumal zur Ent- 
stehungszeit der neuen Reichsverfassung — von Herzen und im 
Uebermaß gegönnt hätte, bis auf den amerikanischen Ausgangs- 
punkt, der aus den gewaltigen gönossenschaftlichen Unterlagen 
der gesamten Volksgemeinschaft ganz andere Akzente herrschaft- 
licher Funktionsausübung hervorgeholt hätte, bestenfalls doch nur 
im Ausmaß des französischen Systems vollziehbar. Auch dort galt 
es einst, den Präsidenten der neuen Republik mit ganz ähnlichen 
Wünschen in wesentliche Befugnisse des monarchischen Vorgängers 
einzusetzen. Auch dort hatte man aus dem Bedürfnis nach einem 
starken Präsidenten, um 'seine Stellung nicht mehr zu verküm- 
mern als es die geänderte Staatsform verlangte, an ein republi- 
ı8 D. JZ. 1919, S. 204. 97%
	        
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