Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 39 (39)

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Boden der Kammerrepublik aufführen zu wollen, so darf gleich- 
wohl nicht übersehen werden, wieviel Herrschaftliches in die Zu- 
ständigkeiten des Reichspräsidenten einfließt, von der Ernennung der 
Reichsregierung angefangen (Art. 53) bis zur Auflösung des Reichs- 
tages (Art. 25) und zur Verfügung über den Volksentscheid, um 
ein Gesetz zu retten oder trotz eines gegen den Einspruch des 
Reichsrates mit Zweidrittelmehrheit gefaßten Reichstagsbeschlusses 
zu werfen (Art. 74). Es wäre hübsch — stünde nur der Raum 
zur Verfügung — diese Ausstrahlungen herrschaftlicher Lebensord- 
nung bis in das staatliche Kleinleben hinein zu verfolgen. Dem 
Kenner mag es vorbehalten bleiben, auszumalen, wie sich schon 
durch die verschiedenen Ernennungsrechte allein in der Beamten- 
welt allerlei Inseln, Nester und Winkel bilden müssen, in denen 
sich stattliche Reste herrschaftlicher Lebensanschauung bis zum 
jüngsten Tag erhalten könnten, auch wenn ringsum die Flut ge- 
nossenschaftlichen Lebens und Trachtens höher und höher steigt. 
Ob und inwieweit nun dieser Machtfülle durch die Bindung 
an die Gegenzeichnung (Art. 50) Eintrag g ‘geschieht, ist vor allem 
eine politische quaestio facti und zu “Terschiedenen Zeiten wohl 
recht verschieden zu werten. An sich muß dieses genossenschaft- 
liche Zusammenwirken mit der Reichsregierung und besonders mit 
dem Reichskanzler keineswegs diese Wirkung haben und bei gün- 
stigem Wetter, solange der Reichspräsident denselben politischen 
Kreisen angehört, welche im Reichstag den Ausschlag geben, 
vielleicht sogar ein oder der erklärte Führer der herrschenden 
Richtung ist und seine Hausmacht im und außer dem Parlamente 
findet, weist ihm schon die enge Mitarbeit mit dem Reichskanzler 
einen ganz hervorragenden Platz zu, da jeder von beiden auf den 
anderen angewiesen ist. An das Parlament, dem er ebenbürtig 
werden sollte, reicht zwar der Reichspräsident gegen alle Beteue- 
rungen der Denkschrift nicht heran, er gleicht nur dem Geist, 
den er begreift; doch braucht man sich bloß vorzustellen, was der 
Kanzler einer Kammerrepublik selbst in dem heute wesentlich
	        
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