Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 39 (39)

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Reichspräsidenten vor dem Staatsgerichtshofe vorgesehen wurde, 
so kann mit dieser auffälligen Häufung von Drohungen nach po- 
litischer Logik nur auf die Mediatisierung des Reichshauptes, auf 
seine Unterwerfung unter den Einfluß des Reichstags hingearbeitet 
werden. Vielleicht war das nicht gar so schlimm gemeint und nur 
eine leidige Folge der noch zu besprechenden monomanischen Vor- 
liebe für den Ausbau des Verantwortlichkeitssystems, das unter 
dem früheren Regiment zu kurz gekommen war und nun in ein- 
seitiger Begeisterung selbst nach Wegfall der wichtigsten Unter- 
lagen des obrigkeitlichen Staates mit untauglichen Mitteln hart- 
näckig weiterverfolgt wurde, als diese Verantwortlichkeit bereits 
als die selbstverständliche Frucht der neuen Staatsform allgegen- 
wärtig herangereift war (vgl. unten im III. Abschnitte) und längst 
nicht mehr an die Aepfel der Hesperiden erinnerte. In Frank- 
reich, das eine Absetzung seines Staatspräsidenten durch Volks- 
abstimmung gar nicht kennt, hat man seine Verantwortlichkeit 
in besserer Erkenntnis ihrer notwendigerweise rein politischen 
Richtung auf Hochverrat beschränkt, wobei die Erwägung maß- 
gebend gewesen sein dürfte, daß jede weitere Ausdehnung sich 
schon durch die Ministerverantwortlichkeit des parlamentarischen 
Systems erübrigt und unnützerweise der beabsichtigten Hoch- 
stellung des Republikspräsidenten nahetreten würde. Denn in 
der Tat bleibt die vom deutschen Doktrinarismus und Ordnungs- 
sinn eingeflüsterte Einbeziehung des Reichspräsidenten in die 
Gerichtsbarkeit des Staatsgerichtshofs, wie immer man sie wen- 
den mag, für die Reinheit der ursprünglichen Konstruktion und 
mittelbar für das Ansehen seiner Stellung ein härterer Schlag 
als die Absetzung am jüngsten Tage, bei welcher das gesamte 
Volk das letzte Wort hat. 
Mit einer wahrhaft herrschaftlich autoritären Stellung des 
Reichshauptes ist freilich weder das eine noch das andere in Ein- 
klang zu bringen. Selbst dann nicht, wenn man die Möglichkeit 
gegenseitiger Maßregelung der obersten Freistaatsorgane — und
	        
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