Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 39 (39)

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rat der Reichsleitung übernommen, sondern auch nach alten Wün- 
schen und Rezepten nicht immer unter voller Berücksichtigung 
neuer oder auch schon älterer politischer Erfahrungen zu Ende 
gedacht. 
Dies brachte zwar den Vorteil, um nicht zu sagen: die Bequem- 
lichkeit, an Gegebenes anknüpfen zu können,. womit sich Zeiten 
des Umsturzes über manche Verlegenheiten hinwegzuhelfen suchen 
und kam vor allem der Aufrechterhaltung des eingebürgerten 
Kanzlersystems zu statten, das nur unter Festhaltung des über- 
lieferten Ministerbegriffs in Anlehnung an die herrschaftlichen An- 
sätze der Reichspräsidentschaft zu retten war. Man konnte und 
mußte den Reichskanzler und auf seinen Vorschlag die Reichs- 
minister vom BReichspräsidenten ernennen und entheben lassen 
(Art. 53), wenn man nieht die Verlegenheit teilen wollte, in die 
Deutsch-Oesterreich mit seinem Kanzlersystem geriet. Dort, wo Kanz- 
ler und Staatssekretäre von der Nationalversammlung als Volks- 
beauftragte (Art. I des Gesetzes v. 14. März 1919 über die Staatsre- 
gierung St@Bi. Nr. 180) gewählt werden, zumal in der Verfassung 
ein Staatspräsident, der die Ernennung zu vollziehen hätte, gar 
nicht vorgesehen ist, muß es dem Kanzler im Falle eines Kon- 
fliktes mit einem „seiner“ Staatssekretäre begreiflicherweise schwerer 
fallen, die unfreiwillige Entfernung durch persönliche Einwirkung 
zu erreichen, da auch die Berufung des Staatssekretärs auf un- 
mittelbarer Wahl durch ‚die Nationalversammlung beruht. Dies 
war das Geheimnis des Falles Schumpeter, der nur jeden entrüsten 
konnte, dem der Widerspruch der deutsch-österreichischen Ver- 
fassung nicht aufgefallen war. Bloß die Tücke des Objekts, nicht 
des Subjekts, der Widerspruch in der Organisation, nicht schon die 
bloße Bosheit eines einzelnen mißliebigen Staatssekretärs wurde dem 
— 
für Einzelheiten Kızssow, Einwirkung der Reichsverfassung auf das Straf- 
recht und das Verfahren in Zivil- und Strafsachen, D. JZ. 1919 S. 872 £.. 
ferner die Uebersicht bei PoerTscH, Handausgabe S. 65. Vgl. auch Korn, 
Die Verfassung des deutschen Reichs, $. 40f.
	        
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