Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 39 (39)

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Ministerverantwortlichkeit, die übrigens auch in der österreichi- 
schen Republik widerspruchsvoll auf die volksbeauftragten Staats- 
sekretäre übertragen wurde, weil auch hier der Volksstaat keine 
eigene Sprache gefunden hatte und Verantwortlichkeit nur durch 
dieses Prisma gebrochen bezeichnen konnte, werden wir daran er- 
innert, daß der Minister gerade infolge dieser Einrichtung aufge- 
hört hatte, ein beliebig zu leitender und daher majorisierbarer Be- 
amter im Sinne des früher allein herrschenden Obrigkeitsstaates 
zu sein, und der Minister trat damit aus seinem ursprünglichen 
Rahmen heraus, um mit den andrängenden genossenschaftlichen 
Mächten des Volksstaates einen recht zwiespältigen Bund zu 
schließen. 
Diese von Haus aus primitive, stumpfe und unzulängliche 
Waffe war ihrerzeit die erste auf Rechtsfälle beschränkte Wehr 
des Volksstaates gegen die Ueberlegenheit des obrigkeitlichen Sy- 
stems und hatte mit seinem Zusammenbruch das Ziel eingebüßt ®®. 
Heute im Vergleiche mit der verfassungsmäßig verbürgten politi- 
schen Abhängigkeit der Regierung von der Volksvertretung be- 
deutet sie nur eine rechtsgeschichtlich interessante Entwicklungs- 
stufe, die in der neuen Verfassung zum ewigen Gedächtnis fest- 
gehalten wird, obwohl ihr unmittelbarer Sinn als Ausgangspunkt 
der politischen Verantwortlichkeit längst verwirkt wurde. Das 
Ganze kommt wohl daher, daß diese Art von juristischer Verant- 
wortlichkeit nun einmal zu einem Wesensmerkmal des dem Namen 
nach übernommenen Ministeramtes versteinerte und diesem — Na- 
men, den das Reformprogramm des Unitarismus zu seiner rest- 
losen Verwirklichung trotz der geänderten Verhältnisse forderte. 
in die Verfassung nachfolgte. Im Obrigkeitsstaate von einst, wo 
die Ministerkollegialität, soweit sie bestand, nicht allzu viel zu 
s° Näheres WITTMAYER, zuletzt Zeitschrift für öffentliches Recht, I. Bd., 
a. & OÖ. S. 80 f.; nicht ganz befriedigend AnsSCHÜTZ, in MEYER-ANSCHÜTZ, 
Lehrbuch des deutschen Staatsrechts 7. Aufl. S. 807. Siehe dazu die 
Besprechung des III. Teils in dieser Zeitschrift.
	        
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