Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 39 (39)

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sagen hatte, war eben ursprüngliche rechtliche Verantwortlichkeit 
das Kennzeichen jedes Ministers®” wie umgekehrt, da die Kolle- 
gialität im Kabinett oder Ministerrat nicht viel hieß, jeder ur- 
sprünglich in diesem Sinne Verantwortliche als Minister aufgefaßt 
werden konnte, auch wenn er dem engeren Regierungskollegium 
nicht angehörte. Man gab ihm dann auch in dunkler Vorempfin- 
dung dessen wenigstens den gleichen äußeren Rang, wie etwa in 
Oesterreich dem Präsidenten des Obersten Rechnungshofes, der 
jedoch damals der Volksvertretung selbst nieht verantwortlich 
war (worauf es aber auch dem jungen Verfassungsstaate minder 
ankomnıt!) 38, 
Diese ganze Ideologie zittert nunmehr mit oder ohne bewuß- 
ten Zusammenhang — in der neuen Reichsverfassung nach, ob- 
wohl sie — ganz abgesehen vom nun festgelegten Prinzip der 
Regierungskollegialität — sich auch noch zu einer ganz anderen 
Auffassung der Regierungsmitglieder bekennt und das System der 
geschlossenen Ministerverantwortlichkeit im früheren Sinne ent- 
sprechend der geänderten Anschauung durch verschiedene z. T. 
schon gestreifte Einrichtungen abbaut. Das vornehmste Privileg 
einer Regierung, die Vorlagen im Hause einzubringen und darin 
nur mit dem Hause selbst zu konkurrieren, wurde in der neuen 
Verfassung nur in sehr beschränktem Maße und bloß formal bei- 
behalten. Zwar ist es noch immer Sache der Regierung, Gesetzes- 
vorlagen, die nicht aus der Mitte des Reichstags hervorgehen, ein- 
zubringen (Art. 68). Wie wir aber wissen, muß sie auch gegen 
ihre Ueberzeugung Gesetzesvorlagen des Reichsrats (Art. 69), des 
Reichswirtschaftsrats (Art. 165) und eines Volksentseheids (Art. 73) 
ghus« » 
9 So z. B. besonders kurz und bündig, LABAND, Deutsches Reichsstaats- 
recht, 7. Aufl. bearbeitet von Orro MAYER 1919, S. 88. 
838 WITTMAYER, SCHMOLLERsS Jahrbuch a. a. O. S. 3 (833) f. mit dem 
Hinweise darauf, daß auch die Ministerverantwortlichkeit überwiegend ein- 
seitig als Verantwortlichkeit vor dem Fürsten empfunden wird, weshalb 
die durch das Institut angebahnte Selbständigkeit der Ministerstellung 
vorerst nicht zur Geltung gelangen kann.
	        
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