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gierung mitgespielt haben, in dem sich der bisherige, ministeriell
gebundene in höherer Einheit auflöst.
Darauf deutet neben den angerufenen Mächten des Volks-
entscheids insbesondere der Zulaß der Gesetzesinitiative des Reichs-
wirtschaftsrats, dessen urrevolutionärer Ursprung durch die ver-
hältnismäßig gelassenen Statuten, mit denen er in die Verfassung
hineingebaut wurde, nie und nimmer verwischt werden kann. Zwar
hat es auf den ersten Blick den Anschein, als ob der noch von
dichten Schleiern der Zukunft verhangene Art. 165 dem Reichs-
wirtschaftsrat die wichtigere Rolle in der Gesetzgebung zuweisen
wollte. Die vorgeschriebene vorherige Begutachtung sozialpoliti-
scher und wirtschaftspolitischer Gesetzentwürfe von grundlegender
Bedeutung durch eine solche Stelle ist politisch deutlich genug,
die eigene Initiative zu Gesetzen noch viel mehr! Bezeichnender-
weise wehrt sich noch die neue Vorlage über den vorbereitenden
Reichswirtsehaftsrat, der nur Vorläufer und ein blasser Wider-
schein des verfassungsmäßigen sein will, gegen den Verdacht.
als ob das Ganze auf eine neue (erste) Kammer hinaus-
liefe. Es wird sich also doch um einen Anbau zu ‘diesem nach
wie vor scheinbaren Einkammersystem handeln, das nicht von we-
niger Zwittergebilden umgeben ist als der alte Reichstag und bei
schärferer Beleuchtung auch doppelt und mehrfach gesehen wer-
den kann. Rivalisierte einst der preußische Landtag°®® und der
Bundesrat als „Staatenhaus*“ im übertragenen Sinne Bismarcks *,
so sucht jetzt der von ihm abstammende Reichsrat einem richtigen
Staatenhaus durch bescheidene Oeffentlichkeit der Vollsitzungen
(Art. 66) und einen lockerer gehaltenen politischen Abstimmungs-
zwang (Art. 65) sich noch mehr anzugleichen, während vollends der
Reichswirtschaftsrat als Stiefbruder, wie ihn die Verfassung an-
3 Vgl. WITTMAYER, Deutscher Reichstag und Reichsregierung S. 40
mit einigem Schrifttum.
4 Ybenda S. 34 f., insbesondere unter Hinweis auf die Belege bei
MeErER-AnscHUtz 8. 475 f.