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deutet, der Repräsentation selbst ans Leben will oder ein Gegen-
gewicht zu bilden wünscht, wenn er auf neuen, nicht am Ende
alten berufsständischen Grundlagen ndch unerprobten Näherungs-
werten einer unmittelbareren Demokratie zustrebt*!.
Doch ragt der nämliche Reichswirtschaftsrat über das Wesen
einer bloßen Kammer, das er im Grunde nach seinem revolutio-
nären Ursprunge verneint, als zersetzendes Element, das er nun
einmal ist, in anderen wichtigen Punkten hinaus. Ueberall steht
er dem Hergebrachten im Weg, wie ein trojanisches Pferd, das
bei seiner Einstellung in die fremde, ungewohnte, widerstrebende
Umgebung gleich ein gutes Stück Stadtmauer mitnimmt. Unbe-
kannten Inhalts und geheimnisvoll wie diese berühmteste Erfin-
dung des altgriechischen Eulenspiegel, gefahrenschwanger nicht
bloß für die alte Einrichtung der Gesetzgebung, sondern auch für
die Regierung, der er bloß das äußere Gepränge läßt, aber das
Konzept verdirbt, zerstört er noch vom notleidenden Prinzip der
Gewaltentrennung einen guten Teil von dem, was das parlamen-
tarısche System erübrigt. Der Art. 165 ist und bleibt nun ein-
mal der umfassendste bisher kodifizierte Versuch, das Rätesystem
zu zähmen und durch Zuweisung wirtschaftlicher Autgaben von
größter Tragweite unter Einbeziehung „aller wichtigen Berufs-
gruppen“ verfassungsfähig zu machen, mit verbürgter Einwirkung
auf die „gesamte wirtschaftliche Entwicklung der produktiven
Kräfte“. Wollte man aber den neuen Wein in die alten Schläuche
füllen, die neuentfesselten genossenschaftlichen oder gesellschaft-
lichen Elementarkräfte der überlieferten Staatlichkeit gewinnen
und halbwegs in’die vorgefundenen staatsrechtlichen Schablonen
überleiten, so war eine solche Verknüpfung und Verschmelzung
4 Vgl. z. B. KıeLı£n, Der Staat als Lebensform 1917 S. 193; ande-
res Schrifttum bei FELIX WELTSCH, Organische Demokratie.
Eine rechtsphilosophische Studie über das Repräsentativsystem und das
parlamentarische Wahlrecht S. 41—61; mit oder ohne ein solches Schlag-
wort dürfte übrigens eine Flut weiterer Schriften im Anzuge sein. Vgl.
u. a. A. SCHRECKER, Für ein Ständehaus, 1919.