Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 39 (39)

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Oesterreich und gestern in ganz Deutschland sagte, und lassen 
erst in ihrer Gesamtheit die Konturen des neuen weiteren Regie- 
rungssystems in seinem vollen Umfange erkennen. Die Reichs- 
regierung, welche sicher dem Begriffe einer Regierung im her- 
kömmlichen Sinne am nächsten kommt und den Namen einer Reichs- 
regierung zum leuchtenden Schild erhalten hat, in der sich unbestreit- 
bar der weitaus überwiegende Teil der Regierungsgeschäfte vereinigt, 
ist gleichwohl nur ein Teil von jener Kraft. Sie steht wohl im 
Mittelpunkt, bildet ein erstes Treffen von Volksbeauftragten; doch 
ist, wenn man schärfer hinsieht, gerade der Verschmelzungs- 
prozeß, der dem früheren Dualismus der Reichsregierung ein Ende 
bereiten sollte, nicht gänzlich gelungen. Es gelang zwar halbwegs (!) 
im Verhältnisse zum Reichsrat, wurde aber mannigfach durch- 
kreuzt durch neue Zwischenfälle, neuartige Anforderungen und Zu- 
geständnisse an Volkssouveränität und unmittelbare Demokratie, 
durch die schleichende Verdrängung der Ministerialregierung mit 
dem Eindringen Volksbeauftragter verschiedensten Grades. Wie 
die englische University einen Komplex der verschiedensten Lehr- 
anstalten einschließt, so bedeutet auch: die aus alledem nichts we- 
niger als einheitlich gebildete deutsche Regierung im weiteren 
Sinne wohl den Inbegriff aller irgendwie an Regierungsfunktionen 
beteiligten sehr verschiedenartigen Organe und die schablonenhaft 
mitgeschleppte juristische Ministerverantwortlichkeitsformel be- 
zeichnet daher nicht einmal, was sie unter andern Umständen 
hätte andeuten können, nämlich die volle einheitliche Geschlossen- 
heit der Regierung. Nur ist ihre Streuung bei weitem nicht so 
groß, wie etwa im kleinen Deutsch-Oesterreich auch noch nach 
seiner jetzigen abermals provisorischen Verfassung, weil hier, ab- 
gesehen von dunkleren, nicht kodifizierbaren Einflüssen beispiels- 
weise der Hauptausschuß der Nationalversammlung, der zwischen- 
zeitig sogar die Regierung bestellen kann, kein unbeträchtlicher 
Regierungsfaktor ist, dem durch Sondergesetzgebung und Praxis 
noch weitere Funktionen zugewiesen werden.
	        
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