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technik der badischen Verfassung und aus der kritiklosen wört-
lichen Uebernahme von Bestimmungen der alten Verfassung durch
dieselbe.
Zusammenfassend ergibt also unser Vergleich zunächst in
formeller Beziehung, daß die badische Verfassung hinsichtlich
ihrer Formulierung der württembergischen unterlegen ist, was
sich allerdings zum Teil daraus erklärt, daß ihr als erste der
neuen deutschen Verfassungen kein Vorbild zur Verfügung stand.
In materieller Beziehung aber besteht der wichtigste Unter-
schied zwischen beiden Verfassungen in der — wenn auch nur
graduell — verschiedenen Ausgestaltung des Verhältnisses von
Legislative und Exekutive, von Landtag und Staatsministerium.
Beide Verfassungen haben ja das Prinzip der parlamentarischen
Regierung angenommen. Wenn wir bei der Betrachtung dieses
Verfassungsprinzips der Terminologie REDSLOBs !? folgen wollen,
so verkörpert die badische Verfassung dabei die parlamentarische
Regierung in ihrer unechten Form, während die württembergische
Verfassung wenigstens Ansätze zur wahren Form der parlamen-
tarischen Regierung zeigt. Denn REDSLOB findet den begriff-
liehen Unterschied zwischen beiden Formen in dem verschieden
ausgestalteten Verhältnis von Legislative zur Exekutive. Die
nach ihm wahre, in der englischen Verfassung verkörperte
Form der parlamentarischen Regierung beruht auf einem System
des Gleichgewichts zwischen legislativer und exekutiver Gewalt.
Konflikte zwischen beiden werden durch eine höhere Gewalt, das
Volk, gelöst. Das Mittel dafür ist die Auflösung des Parlaments.
Legislative wie Exekutive müssen an das Volk appellieren können.
die Exekutive, d..h. das Ministerium dadurch, daß es dem Mon-
archen die Auflösung des Parlaments vorschlägt, das Parlament
auf indirektem Wege dadurch, daß es dem Ministerium die wei-
tere Heeresfolge versagt, indem es entweder ein wichtiges Gesetz
1% REDSLOB, Die parlamentarische Regierung in ihrer wahren und in
ihrer unechten Form, 1918, Tübingen, J. C. B. Mohr. 4