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denen, die von Organen des Reichs durch Verordnung geregelt
werden können. Nur im Vorübergehen sei gesagt, daß die neue
Verfassung mit der Austeilung von Verordnungsrechten absichtlich
sehr sparsam umgeht?. Und soweit sie nicht ausdrücklich ein Recht
zum Erlasse von Rechtsverordnungen gewährt hat, kann ein solches
Recht immer nur durch eine besondere Ermächtigung in einem
einzelnen Reichsgesetze gewonnen werden. Das ist bei der Be-
ratung der Verfassung wiederholt authentisch festgestellt worden‘.
Insbesondere ist der Verfassung die Einrichtung des Notverordnungs-
rechtes fremd’, wofern man nicht die dem Reichspräsidenten für
den Fall des. Ausnahmezustands beigelegten Befugnisse hierunter
begreifen will (Art. 48). Bei dieser Sachlage bedarf es keiner
umständlichen Erörterung, ob den Bestimmungen der Verfassung
ein materieller Gesetzesbegriff überhaupt zugrunde liege,
und wenn ja, wie dieser zu fassen sei. Der fünfte Abschnitt
jedenfalls, mit dem wir es zu tun haben, arbeitet nur mit einem
formellen Begriffe des Gesetzes.
Aber auch wenn wir uns auf die Form des Gesetzgebungs-
verfahrens beschränken, so müssen wir uns bewußt sein, daß das,
was hierüber zu sagen ist, heute nur Stückwerk sein kann.
Zunächst deshalb, weil die Verfassung auf diesem Gebiete ab-
siebtlich unvollständig ist. Manches, was für den Gang
des gesetzgeberischen Verfahrens sehr wichtig erscheint, hat sie der
Geschäftsordnung des Reichstags und der parlamentarischen Praxis
überlassen. Sogar die Regelung der Beschlußfähigkeit des Haupt-
organs der’ Gesetzgebung, des Reichstags, ist — aus Gründen,
3 Vgl. Art. 77° (allgemeine Verwaltungsvorschriften zur Ausführung
von Reichsgesetzen); Art. 88, Abs. 3 (Post- und Telegraphenwesen); Art. 91
(Eisenbahnwesen); Art. 176 (Verfassungseid); Art. 178, Abs. 2; 179 (Ueber-
gang von älteren Verordnungsrechten auf die neuen Reichsorgane).
* Vgl. namentlich die Erklärung des Reichsministers PREUSS in der
38. Sitzung des Verfassungsausschusses vom 5. Juni 1919, Protokoll 8. 1.
5 Vgl. Reichsminister Pr£uss, Protokolle des Verfassungsausschusses,
5. Sitzung vom 12. März 1919, S.2. — Abg. Kanuı, ebenda 9. Sitzung vom
18. März 1919, 8. 1.