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änderung seiner selbst oder eines Teiles seiner selbst dürfe nur
auf dem Wege der Verfassungsänderung geschehen. Denn wenn
ein Gesetz in ‚solcher Weise sich selber eine erhöhte „formelle
Gesetzeskraft“ beilegt, so bedeutet das eine Bindung des Gesetz-
gebers der Zukunft über das von der Verfassung selbst gesteckte
Maß hinaus; dergleichen kann also nur durch ein verfassungs-
änderndes Gesetz angeordnet werden®. Die Frage ist bereits akut
geworden. In $ 46 des RG. über die Reichsfinanzverwaltung vom
10. September 1919 (RGBl. S. 1591), der durch $ 444 der Reichs-
abgabenordnung vom 13. Dezember 1919 (RGBl. S. 1993) aus-
drücklich aufrechterhalten worden ist, finden sich Vorschriften über
die Beteiligung der Länder an dem Ertrage der Reichseinkommen-
steuer. Eine Aenderung dieser Vorschriften, so wird hinzugefügt,
soll nur unter den Voraussetzungen erfolgen dürfen, die nach der
Reichsverfassung für Verfassungsänderungen vorgesehen sind. Diese
Klausel läuft der Verfassung zuwider, und da sie nicht mit der für
Verfassungsänderungen vorgesehenen Mehrheit beschlossen worden
ist, muß sie als ungültig angesehen werden”.
®e Man wird sich für das Gegenteil auf LABAND, Staatsrecht des Deut-
schen Reiches, 5. Aufl. 2, S. 72 berufen. Aber LABAND sagt nicht, daß
die Anordnung, die einer Gesetzesbestimmung die formelle Kraft einer
Verfassungsbestimmung beilege, durch einfaches Gesetz getroffen werden
könne. S. freilich ebenda S. 42.
” Das ist bei der Beratung der beiden Gesetze in der Nationalver-
sammlung mit vollem Rechte hervorgehoben worden von den Abg. BLUNcK,
Sitzung vom 19. August 1919, Sten. B. S. 2629 und v. DELBRÜCK, ebenda
S. 2637, sodann von den Abg. DURINGER, Sitzung vom 27. November 1919,
Sten. B. S. 3800, PoHLMANnN, ebenda S. 3810 und v. DELBRÜCK, ebenda
S. 3811f. Vgl. auch das dort mitgeteilte Schreiben des Abg. HAUSSMANN,
das sich auf eine Denkschrift von E, KAUFMANN bezieht. Ueber die Be-
denken ist man in der Nationalversammluug erstaunlich leicht hinweg-
gegangen, Die Bemerkung des Reichsministers ERZBERGER, &. a. O. S. 3806,
es handle sich um eine „Lücke der Reichsverfassung“, die durch einfaches
Gesetz von Fall zu Fall ausgefüllt werden könne, ist so haltlos, daß sie
einer Widerlegung nicht bedarf. — Inzwischen hat E. KAUFMANN seine
Denkschrift veröffentlicht; Juristische Wochenschrift 1919, S. 901 fi. Seine
Ausführungen zu$ 46 (444) decken sich mit derim Texte vertretenen Auffassung,
Archiv des öffentlichen Rechts. XXXIX. 4. s1