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2. Ebensowenig wie eine Erschwerung kann durch einfaches
Reichsgesetz eine Erleichterung odereine Vereinfach-
ung des Gesetzgebungsverfahrens eingeführt werden. Man muß
jedoch dabei zwei Dinge auseinanderhalten.
Jedes Gesetz kann, wie über den Grad seiner Verbindlichkeit,
so auch über die Dauer seiner Geltung nach Gutdünken befinden.
Schweigt es hierüber, so gilt es unbedingt und bleibt so lange
in Kraft, bis es auf dem ordentlichen Wege der Gesetzgebung
aufgehoben wird. Will es nur für eine bestimmte Zeitdauer gelten,
so tritt es nach Ablauf der von ihm bezeichneten Zeitspanne außer
Kraft. Daher kann das Gesetz auch verfügen, daß seine An-
wendung, oder daß die Dauer seiner Geltung von der Willens-
erklärung eines Dritten abhängen solle, insbesondere daß es durch
die Verordnung eines Regierungsorgans außer Wirksamkeit ge-
stellt oder abgeändert werden dürfe. Solche Bestimmungen sind
auch nichts Seltenes!’. Während also ein gewöhnliches Gesetz seine
formelle Gesetzeskraft nicht erhöhen darf, ist es ihm ohne Ver-
fassungsänderung gestattet, sich selbst die formelle Gesetzeskraft
zu entziehen".
Um etwas ganz anderes handelt es sich aber, wenn ein
Gesetz für einen oder mehrere künftige Fälle oder für einen
generell bestimmten Kreis von Gegenständen einen Gesetz-
gebungsweg vorschreibt oder gestattet, der gegenüber dem
von der Verfassung vorgezeichneten eine Erleichterung darstellt.
10 Vgl. EG. zur ZPO. $ 6, Abs. 1, und vor allem die zahlreichen, bei Aus-
bruch des Weltkrieges unter dem 4. August 1914 erlassenen Gesetze. Sie
enthalten meist die Klausel: „Der Bundesrat — oder der Kaiser oder der
Kaiser mit Zustimmung des Bundesrats — wird ermächtigt, den Zeitpunkt
zu bestimmen, zu welchem dieses Gesetz wieder außer Kraft tritt.* S.
RGBI. 1914, S. 326 ff. — Andere Gesetze bestimmen, daß ein Organ der
Exekutive verordnen dürfe, ein Gesetz solle vorübergehend nicht angewendet
werden. Vgl. das RG. zur Ergänzung des Ges. über die Zahlung der Zölle
in Gold, vom 8. Dezember 1919 (RGBl. S. 1959).
11 Vgl. LasanD a. a. O. S. 72. — Hineı, Das Gesetz im formellen
und materiellen Sinne, Studien 2, S. 148.
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